Und täglich grüßt das Murmeltier

Innere Starre, halten und zusammenziehen. Angst, ich habe Angst.

Und wenn es so wäre, was wäre dann?

Dann habe ich mein Leben lang Angst. Etwas ist nicht in Ordnung, dann kann ich nie mehr entspannen.

Ich bin darauf angewiesen, dass alles in Ordnung ist, sonst kann ich nicht lockerlassen. Leben. Genießen.

Und wenn du nicht lockerlässt und nicht lebst und nicht genießt, was wäre dann?

Das darf nicht sein, dann wäre das gar kein Leben.

Solange nicht alles in Ordnung ist, ist es kein Leben, obwohl du lebst? Was heißt denn Leben? Definiere das.

Leben ist alles Positive, das Schöne, Lockere, Leichte.

Und der Rest ist kein Leben?

Nein.

Wie kommst du darauf?

Ich merke, ich habe das vollständig von meiner Mutter übernommen, die panische Angst vor allen möglichen und unmöglichen Dingen hat, besonders vor Krankheiten. Eine Krankheit war immer ein totaler Ausnahmezustand. Als dürfe es das nicht geben. Aber auch alles andere, was für sie unangenehm war, durfte nicht sein. Und ich habe das ganz tief verinnerlicht, klar, das passiert automatisch, da haben wir als Kinder gar keine Chance es anders zu sehen. Selbst wenn ein Teil von uns sich dagegen auflehnt, das Gift dringt trotzdem ganz tief ein.

Ich sammle Momente, in denen ich Freude empfinde, obwohl ich Angst habe. Ich werde immer und immer wieder Angst haben. Das ist klar, und auch wenn ich Angst nicht wegdrücke, mit ihr arbeite und sie erforsche, erlahmt mein restliches Leben solange sie da ist.

Ich habe mir meine Lieblingsfrage gestellt: ‚Was würde jemand tun, der sich selbst liebt‘, und die Antwort ist eindeutig, Platz machen für all die Angst, die in Liebe aufnehmen aber auch Platz machen für alles andere was da ist, sich nicht für alles verschließen, nur weil Angst da ist.

Leicht ist es nicht. Doch es ist möglich hin und wieder Momente zu genießen, mit meinen Kindern, die Sonne, dass ich mich nachmittags hinlegen kann, usw.

Ich falle dann wieder zurück in den Körper, alles wird tiefer und echter.

Nächste Herausforderung: Kurs. Obwohl ich mich gar nicht damit beschäftigt habe. Der Supergau für das System. Jetzt hattest du so viel Angst wegen dieser Sache, du hattest gar keine Zeit für Angst wegen des Kurses.

Und dann?

Das geht nicht.

Ich spüre, dass du das glaubst, du willst hier ein Totalversagen inszenieren, ich spüre die physischen Kräfte schwinden, der Kopf ist neblig und dreht sich.

Was würde jemand tun, der sich selbst liebt? Der würde beim Atem bleiben, im Moment, sich Atemzug für Atemzug stabilisieren.

Ich fühle mich wie im freien Fall, habe Angst vor einem Zusammenbruch. Ich lass mich fallen, Schwindel, Übelkeit, Würgen, kann ich es annehmen, dass es immer wieder so ist?

Nein

Kann ich es annehmen, dass ich es nicht annehmen kann?

Ja, das kann ich. Sofort kommt Erleichterung in Form von Tränen.

Diesen Schwindel, die Übelkeit, das Würgen, wann habe ich das früher schon mal gefühlt?

Ich sehe mich als Baby/Kleinkind, wie ich Todesangst habe vor meinem Vater. Viele, viele Mal fühlte ich mich ihm schutzlos ausgeliefert, ich konnte es nur irgendwie überstehen oder auch nicht, das war nicht vorauszusehen.

Ich sehe auch Szenen, als sie mir erzählt haben, wenn ich das und das tue (Benehmen das sie nicht haben wollten), dann passiert das und das (schlimme Konsequenzen, alles erstunken und erlogen, das waren die guten Erziehungsmethoden meiner Familie im Gegensatz zu den bösen meines Vaters). Ich spüre die Angst zu sterben weil ich das Verbotene doch gemacht habe, ich konnte mich niemandem anvertrauen, ich musste da irgendwie durch. Und das habe ich gemacht, indem ich jedes Mal einen Teil, diesen Teil, der in Panik war, ausgeschlossen habe aus meinem Bewusstsein, anders ging es nicht.

Und der will jetzt wieder zurück. Er will aufgenommen werden, damit ich ein Stück ganzer werde.

Die absolute Krise ist vorbeigezogen, ich fühle mich durchgerüttelt aber stabil. Meine Ausrichtung für den restlichen Tag ist, mich immer wieder, so oft es mir einfällt, zu fragen was jemand tun würde, der sich selbst liebt. Das bringt mich wieder in Kontakt mit dem Wesentlichen und auch mit dem Möglichen.

Die Liebe überfordert uns nämlich nicht, sie geht nicht von einem Ideal aus, das uns mit allen Mitteln übergestülpt werden soll, auch nicht von einem Heilungsideal, nein sie bleibt ganz realistisch nah dran und weiß ganz genau was möglich und hilfreich ist in diesem Moment und was nicht.

Den Rest der Unsicherheit übergebe ich an Gott, ich kann es nicht lösen, ich kann es nicht ändern, bitte lieber Gott, nimm all meine Ängste und hilf mir es mit deinen Augen zu sehen.