Springen

Immer noch schwierig. Sogar so, dass ich gar nicht essen mag, nichts schmeckt mir, ich mag auch nicht kochen, bin total hungrig, aber essen ist mir ein Graus. Das ist zumindest neu.

Was ist? 10 Minuten

Überempfindlichkeit. Alles zu laut, zu hell, jede Unterbrechung unerträglich.

Was macht es unerträglich?

Ich kann nicht versinken.

Worin?

In meinen Zustand.

Das verstehe ich nicht.

Ich möchte meine Ruhe haben und mit niemandem sprechen.

Sonst?

Sonst kann ich nicht denken.

Ach? Und du musst denken? Worüber?

Ja, merkwürdig, gerade dieses Gedankenkarussell zieht mich ja so runter, und da soll ich auch noch drin bleiben, das System will jedes Aussteigen verhindern.

Sonst?

Sonst könnte es ihr gut gehen. Sonst könnte sie es leicht nehmen. Sonst könnte sie einfach auf den Moment aufsteigen und ihn erleben so wie er ist.

Ja und das darf nicht sein?

Nein, das ist verboten, das darf nicht sein.

Aber es ist möglich, verstehe ich dich richtig?

Ja, möglich ist es schon, aber es wäre falsch.

Puh, das ist so ein Kernglaubenssatz, mich fröstelts schon, ich bin gespannt ob ich da weiter dahinter komme. Wieso wäre es falsch? Was würde dann passieren?

Dann würde sich sich was vormachen, sich belügen, das Negative ignorieren.

Hm. Es geht doch darum dem Moment zu folgen, oder?

Stimmt.

Der Moment ist doch nicht automatisch positiv, oder?

Nein, das nicht.

Ja, was spricht denn dagegen?

Wenn der Moment sie vom Negativen wegzieht, dann beachtet sie es zu wenig.

Ach, aber vom Positiven darf sie weggezogen werden?

Ja, das ist nicht so wichtig.

Verstehe ich es richtig, dass du möchtest, dass sie dem Moment zugunsten des Negativen nicht folgt, also im Negativen verharrt.

Wenn du es so ausdrücken willst, ja, genau.

Und wie lange?

So lange bis es nicht mehr da ist.

Und wie soll das geschehen?

Indem sie es restlos bearbeitet hat, bis es sich aufgelöst hat.

Oh. Sie darf nicht dem Fluss folgen, nach dem Regen kommt die Sonne usw.?

Ne, wenn es regnet, dann muss sie sich auf den Regen konzentrieren, ergründen, warum der Regen problematisch ist, versuchen das aufzulösen, versuchen zu verhindern, dass er immer noch problematisch ist und dann erst kann sie sich der Sonne zuwenden.

Und wenn die Sonne in der Zwischenzeit schon lange wieder scheint?

Nix da. Erst wenn die Arbeit erledigt ist.

Sonst?

Sonst macht sie womöglich etwas falsch, übersieht etwas, vergisst etwas.

Und dann?

Dann weiß ich nicht, Katastrophe halt.

In meinem Kopf verknoten sich gerade die Gehirnwindungen. Der Versuch alles auseinander zu sortieren und einzuteilen überfordert mich. Irgendetwas widerspricht sich.

Es ist wichtig die innere Arbeit zu machen.

Es ist aber auch wichtig, vielleicht noch wichtiger, das Leben zu erleben wie es kommt.

Eine Ef will mich auf die typisch perfektionistische Art zu innerer Arbeit bis alles perfekt ist verdonnern. Ok, das ist extrem.

Aber wann ist es wichtig und wann nicht? Wer sagt mir das? Was ist innere Arbeit überhaupt? Ist das überhaupt wirklich gut herumzusitzen und zu hinterfragen während die Kinder mich ständig etwas fragen und einfach mit mir reden wollen? Ist das dann keine Flucht vor dem echten Leben? Flucht in die Abgeschiedenheit und Weltentrücktheit der inneren Arbeit?

Ist das Hinterfragen vielleicht zu einer weiteren Sucht geworden? Eine weitere Art allem zu entfliehen? Nicht wirklich leben zu müssen?

Ich schaffe mir unzählige Gelegenheiten dem Leben zu entfliehen. Innere Arbeit, Yoga, schlafen, oder auch mich im Gedankenkarussell verlieren, im Ergebnis bedeuten sie alle dasselbe: ich drück mich vor dem Alltag, mein eigentliches Leben. Und als weiteres Ergebnis fühle ich mich schrecklich, weil ich mein Leben unerträglich finde, ich bin ja gar nicht anwesend, sondern nur auf der Flucht. Ein vergifteter Kreislauf.

Es ist klar wie Quellwasser. Genau so ist es. Boah. Wir trickreich, alles, aber auch wirklich alles wird dazu benutzt um zu fliehen.

Es liegt nicht an den Dingen, Yoga ist gut, innere Arbeit ist gut, schlafen ist auch gut, aber nur zur rechten Zeit und nicht als Flucht.

Und das Gscherte dabei ist, ich fühle mich dabei auch noch so gut, habe dem Diktator genüge getan und brav den Plan abgearbeitet. Aber anwesend war ich dabei nicht, also oft. Nicht immer.

Und jetzt, wenn ich mir vorstelle damit aufzuhören, auf der Stelle, und mich meinem Leben zuzuwenden, dann kommt nichts. Was soll ich dann tun? Leere überall. Was soll das sein? Ich mache Sport und ich mache innere Arbeit und alles andere ist ja kein Leben, das sind blöde Störungen, die mich von Leben abhalten. Ach so, da wäre ja noch das Essen, aber das ist zur Zeit auch nicht so verlockend. Und schlafen, auch eine meiner Lieblingsbeschäftigungen.

Das Leben hat mich hier hingestellt, umgeben von 6 Menschen und 2 Hunden und ich weiß nichts mit ihnen anzufangen. Nicht wirklich. Ich arbeite das Allernotwendigste ab, bis ich mich wieder in mein inneres Kloster begeben kann.

Und gleichzeitig ist eine so starke Sehnsucht in mir in meinem Leben endlich vorhanden zu sein.

Ich höre eine Stimme: ‚Du musst nicht mehr lesen wie es geht, du musst nicht mehr groß dieses oder jenes aufdecken, es ist an der Zeit einzutreten und das Leben auch zu erfahren, nicht nur darüber lesen oder darüber nachdenken oder solch Trockenübungen machen wie die innere Arbeit in der Abgeschiedenheit. Das war alles sehr wichtig zu seiner Zeit, aber diese Zeit ist für dich vorbei. Jetzt bleibt nur noch das Springen, alles andere ist getan. Du wirst nicht weiterkommen, du wirst nicht erleben wie es ist, wie es sich anfühlt, solange du es nicht tust.‘

Ja, tun, ok, tun, aber was denn? Was denn tun?

‚All diese Programme und Übungen Programme und Übungen sein lassen und endlich einfach leben. Ok ich weiß, genauer, bleib mit deinen ganzen Sinnen bei dem was du tust, Ende. Mehr gibt es nicht, der Rest kommt von allein.‘

Oh, je, das klingt unmöglich, ich werde es machen so weit es geht.

Natürlich, es geht immer nur so wie es geht, und das ist vollkommen.

3 Gedanken zu „Springen

  1. Liebe C.,

    oh, da komme ich auch immer mal wieder vorbei! Und diese Gedanken verheddern sich dann in meinem Kopf, weil der Verstand sie nicht zu fassen kriegt…
    Ja springen, tun, machen, LEBEN!

    tina

  2. Liebe CK,
    mit den ganzen Sinnen bei dem zu bleiben, was du tust.
    Mir fällt der Absatz aus Geneen Roths Buch“Lost and Found“ ein,
    wo sie beschreibt, wie sie nach dem Verlust des ganzen Ver-
    mögens von ca. 1 Million Dollar an einen Betrüger quasi in die
    Präsenz gezwungen wird.
    Bei mir geht`s Schritt für Schritt. Die kleinen Dramen macht nun meist mein Ego, wenn es ihm zu langweilig wird. Ist manchmal lustig, was es sich alles ausdenkt… .
    Mein Bedarf an grossen Dramen ist für dieses Leben gedeckt: viele Verluste, Ent- täuschungen.
    Jetzt ist die Zeit des Ankommens und Erntens. Ich habe es verdient!
    Dein Blog ist wunderbar
    Alles Liebe
    Elisabeth

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