Projektionen

Ich wiederhole mich, aber ich wiederhole mich gern. Denn ich bin vollkommen überwältigt wie wunderbar diese Frage ist, die ich übrigens von Teal Swan habe: ‚Was würde jemand tun, der sich selbst liebt‘

Wichtig für mich ist genau diese Formulierung, denn ich habe es auch schon mal eine Weile abgewandelt in: ‚Was würde ich tun, wenn ich mich selbst liebe würde‘, aber da funktionierte es irgendwie nicht mehr, ich hatte keine Antworten mehr, die absolute Sicherheit war weg. Ich hatte gar nicht gemerkt, dass ich diese Abwandlung vollzogen hatte, bis jemand, der auch diese Frage kannte mich auf die Bedeutung der Formulierung hinwies, danke G. dafür.

Erst dann habe ich das überhaupt registriert und habe angefangen mit dem beiden Formulierungen zu experimentieren. Und ja, nur das Unpersönliche wirkt, wahrscheinlich, weil da keine Biographie, kein Ich im Weg steht, was die andere Frage automatisch impliziert.

So, ich hatte heute morgen Hunger, und mich zog es sehr zur Schokolade, das ist ungewöhnlich, weil ich morgens nichts Süßes mag. Ich höre mich selbst mir die ganze Zeit erzählen, dass ich doch besser etwas anderes essen sollte, etwas gesundes, bla, bla. Mein Kopf ist sogar der Meinung, das ‚Gesunde‘ ist automatisch das liebevolle, ob ich will oder nicht, ha, ha.

Mir fällt glücklicherweise die Frage ein, und zu meiner Überraschung ist die Antwort sofort da, klar und eindeutig: Schokolade. Und das Gefühl gibt dem recht, es sagt, ich wusste es doch, warum traust du mir nicht.

Weil ich noch nicht ganz vertraue, da schwirren noch so viele Stimmen herum, die alles besser wissen, die immer einen Plan haben, die das Richtige für sich gepachtet haben. Aber ich habe jetzt diese Frage, die ist unbestechlich und unvorhersehbar. Denn morgen kann sie Karotte anworten oder Suppe, ich weiß es nicht, denn sie folgt keinen Regeln, sie folgt nur dem aktuell Besten für mich, und das ist nichts statisches, sondern im ewigen Wandel befindlich. Ich kann mit dem Wandel noch nicht besonders gut umgehen, aber die Frage kann es, der Anteil, der antwortet, hat das tiefste Wissen. Ich freue mich so darüber!

Ich sitze herum und weiß nicht was ich tun soll. Ich stelle mir die Frage, die Antwort ist: Beschäftige dich damit was du eben über Projektion gehört hast.

Na klar, im selbem Moment wird mir bewusst, dass ich das die ganze Zeit wollte, aber eine Stimme mit mir diskutierte, dass ich doch nicht ständig das machen kann was mir Spaß macht (innere Arbeit) sondern auch mal was Unangenehmes machen sollte (aufräumen). Deswegen des Stillstand und das Nichtwissen, weil ein innerer Kampf stattfindet.

Nach der Frage ist es glasklar. Wie schön, ich wollte das so gerne ausprobieren!

Ist ja nichts Neues mit der Projektion und trotzdem finde ich diesem Blickwinkel interessant. Alles was im Prozess unserer Sozialisation unerwünscht war, mussten wir abspalten um zu überleben. Und diese Anteile schlummern nun im Dunkeln und wollen ans Licht, wollen integriert werden. Wir bemerken sie durch Projektion, sofern wir uns des ganzen Mechanismus überhaupt bewusst sind.

Sowohl das was wir an anderen überhaupt nicht ausstehen können als auch das was wir an anderen lieben oder das worauf wir neidisch sind, weist uns auf Teile unseres Selbst hin, die wir ausgeschlossen haben.

Also lohnt es sich, wann immer uns eine solche Vorliebe oder Abneigung auffällt uns zu fragen, warum es für uns gefährlich war diesen Anteil zu leben.

Mir fällt spontan ein, dass ich Menschen, die beruflich erfolgreich sind, je nach Stimmung, beneide oder verurteile. Der Aspekt, der dabei für mich wichtig ist, ist dass sie fokussiert, zielstrebig und organisiert sind und dass sie bereit sind der Welt zu zeigen, was sie können.

Offensichtlich ist ein Anteil in mir, der genau das sein will. Warum war es gefährlich so zu sein?

Die Antwort kommt sofort: Dinge zu können, kompetent zu sein, selbstorganisiert, eigene Ziele zu entwickeln, die ich dann verfolge war absolut unmöglich. Seit ich auf der Welt bin. Ich habe das noch nie so betrachtet, aber es zeigt sich mir soeben auf bildlicher und gefühlsmäßiger Ebene.

Meine Mutter bezog ihr ganzes Selbstverständnis, ihr ganzes Glück als Mutter daraus, dass sie mir, unfähigem und nichts wissendem Kind, etwas beibringen konnte, was ich in Vollendung reproduzierte, damit sie sich und den anderen zeigen konnte was für eine gute und besonders fähige Mutter sie ist.

Dass ein Kind von sich aus etwas kann, von sich aus etwas weiß, von sich aus etwas will und verfolgt, das gab es für sie nicht. Also habe ich diesen determinierten und kompetenten Teil abgespalten, und meine Kompetenz allein auf das besonders perfekte Reproduzieren beschränkt. Nur mein Herz hat an dem ganzen Reproduzierten keinerlei Interesse, dafür brenne ich nicht, dafür habe ich keinerlei Motivation mich anzustrengen um der Welt eine Kopie vorzuführen.

Ich spüre den Schmerz darüber, dass fast alles was aus mir kommt falsch ist, die Verzweiflung, dass ich es nicht richtig treffe, und schließlich die Resignation, die zur Überzeugung führt, dass ich überhaupt nicht weiß was gut und richtig ist, und dass ich andere noch besser beobachten und kopieren muss um es zu lernen. Das alles zieht im Spielfilmformat an meinem inneren Auge vorbei, nur dass ich alles auch fühlen kann.

Sofort kommt Druck, was kann ich tun um das zu ändern, ich muss sofort herausfinden wo meine Kompetenz und meine intrinsische Motivation geblieben sind.

STOPP. Was würde jemand tun, der sich selbst liebt? Er würde das alles erst in Ruhe und aller Ausgiebigkeit fühlen.

Ok zurück zum Fühlen. Ich fühle die Verwirrung wachsen, dass alles was mir einfällt und Spaß macht irgendwie falsch ist, ich sehe mich als Krabbelkind durch die Wohnung krabbeln, und spüre wie meine Verunsicherung wächst, was ist, wenn der nächste Schritt wieder falsch ist, ich stoppe und setze mich hin, ich traue mich nicht mehr weiter zu krabbeln, ich fühle mich unsicher, ich weiß nicht wie das Leben funktioniert, ich bin unfähig, ich kann nichts, ich bin verloren, jemand muss mir helfen, jemand muss mir sagen was ich tun soll, ich sehe meine Augen sich immer mehr weiten, die Verwirrung wird zu Angst, zu einer tiefsitzenden Angst vor dem Leben.

Der Körper reagiert, ich würde und würge. Ich habe so viel Mitgefühl mit diesem Kind, ich nehme es in den Arm.

Totale Erschöpfung macht sich breit, das war jetzt intensiv. Jemand der sich selbst liebt würde sich hinlegen, um 11.00 vormittags. Das mache ich jetzt.