Irgendwie anders

Ich bin zwischen den Welten. Seit wir zurück sind aus Dänemark ist es anders. Erst der Ärger hier und völliges Unverständnis bei den Beteiligten, dann das Haus an der Nordsee, dass uns so gefällt aber das irgendwie unerreichbar erscheint, dann die Angst es könnte erreichbar sein und wir würden wirklich alles neu starten. Woanders hin gehen.

Sobald es wieder darum geht wegzuziehen geht es mir immer so. Ich verliere die Verbindung, ich fühle mich kontaktlos, als hätte ich keinen Platz mehr. Der alte ist nicht mehr, der neue noch nicht da. Vielleicht ist es das was mich bisher immer gehalten hat. Ich will das Gefühl loswerden, dieses Gefühl, und entscheide mich fürs Bleiben.

Aber der Frieden ist trügerisch. Schon so oft habe ich es nun erlebt. Der Wunsch zu gehen verschwindet nicht, er kommt wieder. Immer und immer wieder.

Es ist wie mit dem Essdruck. Ich esse um ein unangenehmes Gefühl nicht fühlen zu müssen, aber nur das aushalten, das durch es hindurchgehen kann den Essdruck von mir nehmen.

Ist es jetzt auch so? Muss ich da tiefer reingehen? Ich fürchte mich. Aber ich mache es. Ich stelle mir den Wecker auf 5 Minuten und atme.

Nach einer Weile höre ich einen Satz: Wenn ich hier weggehe gehöre ich nicht mehr dazu, dann gehöre ich nirgendwohin, dann bin ich ganz allein.

Wer bin ich da? Ich bin 11 und gerade ausgewandert, ich fühle die Verwirrung, die Heimatlosigkeit, das allein sein. Woanders hin zu ziehen ist wie in den Sudan ziehen, ich stelle mir vor ich kann mit niemandem kommunizieren, alles ist fremd, ich werde als Eindringling, als Fremde, als Aussätzige behandelt. Ich weine um all den Schmerz, den ich damals nicht fühlen konnte.

Ich erlaube mir zu träumen, zu träumen wie es sich anfühlen würde dort zu wohnen, im Wind, in der Weite, in der Freiheit. Wenn dieser ganze Ballast hier einfach weg wäre, alles neu ordnen, nur das behalten was Sinn macht und Freude, alles andere wird aussortiert.

Es macht mir zu schaffen, dass alles so voll ist in nächster Zeit. Am Wochenende Seminar, dann Schulanfang, dann einen Tag später Kindergeburtstag. Die selben Symptome wie eh und je, vermehrter Essdruck, Unruhe, und als Ausgleich totale Erschöpfung, ich könnte immer schlafen, gleich nach dem Aufstehen, Komaschlaf.

Es ist jedes Mal so, wenn diese Termine sind, die mir nicht verschiebbar und nicht verhandelbar erscheinen und mit Arbeit verbunden sind. Es soll aufgeräumt werden, dekoriert, vorbereitet und das zusätzlich zu all dem Alltag, der aus einer Endlosschleife von Chaosbeseitigung besteht.

Ich bekomme dazu auch keine Bilder, es scheint wie in meiner DNA eingebrannt zu sein, ja so ist es, sie gehört zu mir, diese Angst vor der Überforderung, sie kommt einfach immer vorbei.

Ich schrieb das und musste kurz etwas anderes machen, und als ich dann zu meinem Text zurückkam stellte ich zu meiner Verwunderung fest, dass ich mich freier fühle, leichter und präsenter, wieder hier.

Ich bin ganz gerührt, ich bin wieder verbunden, ich fühle eine innere Zufriedenheit, einfach so, der Körper, der bis vor zwei Minuten tonnenschwer war ist wieder leicht, alles scheint machbar und erreichbar, nichts ist bedrohlich.

Was ist passiert? Ich weiß nicht genau. Ich habe erkannt, dass das einfach zu mir gehört und es nicht weggehen wird. Ich habe das Ungewollte begrüßt, ich habe es gefeiert.

Lächelnd sitze ich hier und denke: Ja, es ist in meine DNA eingebrannt, warum auch immer, ich kann den Kampf beenden, ich muss nicht wissen warum das so ist, denn es zeigt sich mir nicht. Also ist es nicht relevant.

Was ich aber weiß, ist dass ich schon viele, viele solcher Situationen gemeistert habe, ich bin nicht weggebrochen oder habe mich in Luft aufgelöst wie das Gefühl mir sagen will, sondern im Gegenteil, abgesehen von der Angst habe ich die tatsächlichen Anforderungen locker geschafft. Jedes Mal.