Die Wand

Das stabile geerdet Sein in der Liebe, die Verbundenheit mit dem klaren freien Teil ist nur solange da, solange ich nichts im Außen mache. Kontakt mit anderen, egal in welcher Form katapultiert mich im besten Fall ins Aushalten, im schlechtesten Fall in die Panik.

Die Erkenntnis des letzten Wochenendes. Nicht dass ich das nicht schon gewusst hätte, aber nun war der Vergleich für mich nochmal deutlicher, die Grenze schärfer und klarer sichtbar.

Angesichts all der Draußen Verpflichtungen, ist der Punkt der Ruhe, das Auge des Sturms für mich nicht mehr erreichbar.

Und wenn ich mich frage, was ich tun würde, wenn ich mich selbst lieben würde, kommt als Antwort, dass ich es annehmen würde, dass ich aufhören würde dagegen anzukämpfen. Dass ich den momentanen Stand der Dinge einfach anerkenne.

Aber leider geht das auch nicht.

Hatte inzwischen eine Therapiestunde, die erste seit sechs Wochen. Die war auch nötig. Meine Therapeutin konnte genau das für mich machen, was ich alleine nicht mehr konnte, freundlich auf alles schauen.

So konnte ich es am Ende der Stunde auch wieder. Anerkennen, dass die Wand aus Dissoziation und Angst, die sich immer wieder vorschiebt, mein Überlebensprogramm ist, mich gerettet hat.

Sobald ich sie ablehne, mich über sie ärgere, sie nicht haben will, verstärke ich nur das Muster, das Tor ist in der Liebe, nicht in der Angst.

Und in diesem Fall bedeutet Liebe, dass ich freundlich darauf schaue, dass gerade wenig Liebe zur Verfügung steht, weil die Wand alles abschneidet.

Ob ich freundlich darauf blicken kann hängt davon ab, inwieweit ich die Leistung dieses Musters anerkenne, inwieweit ich sehen kann, dass es mich gerettet hat. Und auch inwieweit ich akzeptieren kann, dass es immer und immer wieder startet und starten wird.

Denn oft schiebt sich die ‚das-war-doch-alles-nicht-so-schlimm‘ Einstellung in den Vordergrund, aber das ist die Stimme meiner Mutter, ihr Mantra, mit dem sie sich und mich eingelullt hat.

Doch es war schlimm, allein, dass ich eine solch massive Wand ausgebildet habe, dass ich so umfassend dissoziieren musste um die Angst zu überstehen, zeigt, wie schlimm es für mich war. Das braucht offensichtlich immer und immer wieder eine Anerkennung.

Aus der damaligen kindlichen Perspektive war ich hilflos der Willkür ausgeliefert, was passieren würde war nicht berechenbar, es konnte schlimm sein, es konnte tödlich sein, es konnte nichts sein. Ich musste mit allem rechnen, und konnte nichts berechnen. Totale umfassende Unsicherheit.

Nur Essen war die Grenze. Das Essen musste gesichert sein, das war das Einzige, was meine Mutter durchsetzen konnte, solange ich esse, passiert mir nichts, Time-Out, Waffenstillstand.

Ich verstehe die Zusammenhänge immer besser, in solchen Situationen hänge ich mich ans Essen, es darf nicht abreißen, sonst bin ich geliefert, solange der Essensstrom weiter fließt, habe ich Gefechtspause.

Außerhalb des Essens nur Wand, Totenstarre, nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen, nichts schmecken, bis die Gefahr vorübergeht. Doch nach der Gefahr ist vor der Gefahr.

Wenn die Wand kommt, werde ich genau dorthin zurückgeworfen, in diese feindliche und unberechenbare Welt. Es wieder genau anzuschauen, es anzuerkennen, das bringt mich wieder in Kontakt mit der Liebe, mit meinem ganzen Mitgefühl meinem Schicksal gegenüber, mit der ganzen Milde zu der ich fähig bin.

Es kann eben nicht anders sein, aber die Liebe, die ist jetzt auch wieder da. Die Wand und die Angst bekommen auch etwas ab von der Liebe, der Druck geht runter, die Spannung sinkt.