Völlig losgelöst von der Erde

Übermorgen ist der erste Kurs aus der neuen Serie und ich habe praktisch keine Angst. Manchmal bin ich nur etwas beunruhigt, weil ich keine Angst habe. Das darf ja nicht sein.

In der Therapie eben habe ich zwei ineinander verdrehte Stränge gesehen, einer hell und einer dunkel. Wenn ich in den hellen reingegangen bin, dann war alles leicht, die Dinge waren nicht wichtig oder schwer oder tragisch, alles war lustig, spannend und leicht. Vor allem leicht. Es fühlte sich so normal an und einfach.

Im dunklen Strang hingegen war die Leichtigkeit und die fehlende Ernsthaftigkeit eine Bedrohung, das darf nicht sein, es muss um jeden Preis bekämpft werden. Ich konnte ganz klar fühlen, dass das nicht zu mir gehört, das ist das was ich gelernt habe, habe lernen müssen. In meiner Kindheit war niemand leicht, alles war schwer, und für sie war ich mit meiner fehlenden Ernsthaftigkeit, wie sie es genannt haben, eine waschechte Bedrohung.

Im Laufe der Stunde konnte ich immer klarer fühlen, dass diese beiden Stränge nicht zusammengehören, das bin nicht alles ich, das ist nicht alles mein wahres Wesen. Ich konnte sie entwirrt nebeneinander sehen.

Diese Angst vor der Leichtigkeit ist erlernt und ich gebe ihr noch dazu einen abergläubischen Anstrich, aber das Universum bestraft mich nicht für Leichtigkeit, das waren meine Eltern.

Mein wahres Wesen ist unbekümmert, spielfreudig und leicht. Deswegen hat es mich zum Tanzen hingezogen, da konnte ich es ein Stück weit leben.

Um zu überleben habe ich es verbannt, ich habe mich zusammengezogen und eingerollt und in den oberen Oberkörper und Kopf verzogen, so klein wie möglich gemacht. Die Verbindung zur Erde habe ich so weit es geht aufgegeben.

Das wird immer deutlicher. Das kam schon früh in der Ausbildung raus, der fehlende Kontakt zum Boden, dann konnte in im Yoga noch nie das Gewicht an den Boden abgeben, in einer Übung zur Funktion des Gewichts kam raus, dass das Fett mich auf der Erde hält, wenn es weg wäre würde ich wegschweben wie ein Helium-Ballon.

Beim Versuch die Übungen aus diesem Buch zu machen, Übungen um den Körper voll und ganz zu bewohnen, wird mir übel und ich muss brechen, wenn ich versuche meine Füße zu bewohnen, nicht nur zu spüren, das kann ich gut, sondern zu bewohnen. Da ist noch so viel Widerstand gegen das Leben auf der Erde. Ich bin, wie meine Ausbilderin sagte, noch nicht vollständig auf der Erde angekommen.

Ich weiß ja wieso, aber das hilft nur ein wenig. Jetzt ist es an der Zeit mir selbst neue Erfahrungen auf der Erde zu ermöglichen, und mich hier niederzulassen, vollkommen in meinen Körper niederlassen, denn nur durch diesen Körper bin ich hier.

Und im Augenblick bin ich völlig fasziniert davon, dass den Körper zu bewohnen, etwas völlig anderes ist als den Körper zu spüren.

Ich versuche es wieder. Ich stelle mich auf die Füße und stimme mich auf mein Selbst in meinen Füßen ein. Ich spüre zwar den Bodenkontakt und trotzdem fühlt es sich so an als würde ich frei im Raum schweben. Ich versuche mich in meinen Füßen niederzulassen, mich in die Füße sinken zu lassen, sofort würgen und Übelkeit und Schwindel. Keine Worte, nur Körperempfindungen.

Ich bleibe ein wenig dabei. Ich höre: ‚Da ist noch so viel Schmerz, damit kommst du in Kontakt wenn du dein Gewicht an die Erde abgibst. Das braucht Zeit.‘

Ok, das reicht für heute.

Schöne Bilder

Es fühlt sich stimmig an einen Baustein einzuführen, den ich bisher nie beachtet habe. Visualisierung. Das Bild des Schlanken Ichs im Herzen entstehen zu lassen und es dort halten und mich daran erfreuen. Einen ganzen Tag damit erleben, das Schlanke Ich beim Aufstehen, das Schlanke Ich beim einkaufen, beim kochen, im Auto, mit dem Kindern, im Kurs, beim Wäschewaschen.

Das tut mir richtig gut, mein Herz hüpft vor Freude wenn ich mir das vorstelle und ich spüre Wärme und Weite. Das kann nicht falsch sein. Das interessanteste ist, wenn ich eine solche Reise gemacht habe und mich dann im Spiegel anschaue, dass gefalle ich mir viel besser.

Der entscheidende Unterschied in dieser Vision ist gar nicht, dass alle mich bewundernd anschauen und mir dauernd sagen, wie gut ich aussehe, im Gegenteil, alle verhalten sich mir gegenüber genaus so wie immer, sondern dass ich mich an meinem Körper erfreue. Ich erfreue mich an der Bewegung, die dann möglich ist, an der Kraft, die dann da ist, an der Wertschätzung und Liebe für meinen Körper.

Und dieses Gefühl bleibt da und breitet ich auch über mein Jetzt Ich aus.

….

Stunden später, andere Baustelle. Ich will wegziehen, zumindest weg aus Bayern und dem beschissensten Schulsystem das ich kenne. Übertritt, Notenterror, das ganze Getue, ich halte das nicht aus.

Die Botschaft, die wir damit unseren Kindern weitergeben ist: Zwing dich dazu, lauter Zeug zu machen worauf du keine Lust hast. Nur das Ergebnis zählt, die Note, das Durchkommen, das erfolgreiche Anpassen. Das ist doch wirklich zum Kotzen.

Und das allerschlimmste ist, dass ich keine richtige Alternative habe, weil alles was ich mir ausdenke so viele Menschen betrifft, die nicht alle mitmachen wollen. Und die nicht unbedingt das so sehen wie ich. Und ich selbst nicht mal weiß ob das wirklich gut wäre, oder nur eine Flucht.

….

So ein Schwinden, so eine Schwäche, als würde ich mich auflösen. Seit Stunden, es fing an, als das Auto mal wieder zickte und verstärkte sich mit den ganzen Hiobsbotschaften aus der Schule.

Ich weiß nicht war richtig ist, ich weiß nicht was zu tun ist, überall Schwierigkeiten. Kann ich das annehmen, dass es mir gerade so geht? Dass ich nicht weiß was zu tun ist, dass ich keinen guten Plan habe, dass ich was passiert nicht beeinflussen kann?

Nein. Kann ich annehmen, dass ich es nicht annehmen kann?

Ja, das geht. Was würde mein Schlankes Ich in dieser Situation tun? Diese Vorstellung hat momentan viel Kraft, sie verbindet mich mit der Liebe, das Schlanke Ich ist das erwachsene, reife Ich, das freie. Diesmal mit Betonung des Körpers.

Sie würde sich erlauben zu fühlen was sie fühlt und würde sich dafür nicht verurteilen, weil jedes Gefühl einfach nur ist.

….

Ich war noch bei einem Elternstammtisch zu dem ich nicht hingehen wollte, alle dort gertenschlank und gestylt, und ich habe mich nicht minderwertig und ausgeschlossen gefühlt, sondern einfach ganz normal zugehörig, weil ich zu der Klassengemeinschaft gehöre. Ein Riesenschritt.