Ätsch

Das Leben ist unbestechlich.

Gestern bin ich umgeknickt, wieder mal, diesmal aber recht schwer, das wird eine Weile dauern bis der Fuß wieder voll funktionsfähig ist.

Seitdem bin ich nur am Weinen. Es ist so gemein, dass es gerade jetzt passiert, am Anfang der Ferien, auf die ich mich so gefreut habe, weil endlich kein Programm, und gerade nachdem ich festgestellt hatte wie unfit ich bin und ganz neue Fitnesspläne geschmiedet hatte.

Warum, warum, warum? Und während ich weine und weine und mir diese Frage stelle, fällt mir ein mich zu fragen, was denn daran so schlimm für mich ist?

Die Antwort: Dass ich nun noch länger dick bleibe, weil ich eine ganze Weile nichts tun kann, um mein Abnehmen voranzutreiben, dass nun all die Dinge, die ins Bild der guten Mutter passen, wie mit den Kindern was zu unternehmen nun bis auf Weiteres nicht mehr gehen, dass ich nun wieder so fehlerhaft und ungenügend bleibe wie ich schon die ganze Zeit bin und mir die Möglichkeit genommen worden ist mich zu verbessern, mich endlich besser und genügend zu machen.

Das saß. So sieht es aus. Das ist die Wahrheit. Nichts mit Annehmen und so weiter. Tief drinnen hat sich das alte Bild festgefressen, und wirkt im Verborgenen. Ich hatte das gar nicht gemerkt, sah mich schon über dem Berg. Ha, ha, ha, ätsch, lacht sich das Leben ins Fäustchen, falsch gedacht.

Wozu ist das alles gut? Damit du sehen kannst wo du stehst, damit sich dein Äußeres an dein Inneres anpasst. Verwundet, innen wie außen.

Diesen Teil hatte ich ausgeschlossen, der darf nicht sein, der Teil der nur im Dünnsein das Heil findet, für den Dünnsein absolut alles ist, der nicht zufrieden sein kann bevor er dünn ist. Es ist eingebrannt irgendwo, dass wahres In-Ordnung-Sein nur mit Dünnsein möglich ist. Natürlich weiß ich wo es herkommt, das ist mein Ballett-Trauma, damals fand ich meine Mutter immer eine abscheulich fette Kuh, auf Bildern sehe ich heute, dass sie ganz normal dünn war, höchstens die Hälfte von mir jetzt.

Ich habe ganz viel Mitgefühl mit diesem Anteil, der es einfach nicht anders sehen kann, der es vielleicht niemals anders wird sehen können, ich kann ihn aufnehmen, ihm einen Platz geben, er ist aus dem Schatten ins Licht gekommen, das war sehr, sehr wichtig, das spüre ich ganz deutlich.

Denn das was wir alle wollen, wohin die Seele hinstrebt ist Ganzheit, und Ganzheit bedeutet nicht alles was uns gefällt, sondern Ganzheit enthält ALLES, auch all das, was aufgrund unserer Konditionierung ein absolutes Tabu ist. Alles will gesehen werden, dahin strebt das Leben.

Ja, dieser Unfall zeigt mir ganz deutlich, dass ich mein Schicksal überhaupt nicht akzeptieren kann, null komma null, sobald mir die Möglichkeit geraubt worden ist mir was vorzumachen, kommt die Wahrheit ans Licht.

Ein ganzer nicht versengender Strom an ‚Solltes‘ höre ich in meinem Kopf, du solltest mehr dies, und weniger das, aber morgen solltest du, usw.

Während ich so vor mich hin weinte hörte ich all die Stimmen und mir wurde klar welcher Selbsttäuschung ich erlegen bin. Wenn ich mich gut fühlte, oft nur weil ich zufrieden war den ‚Sollte‘ Stimmen entsprochen zu haben, so getarnt, dass ich nicht merke, dass für sie mein Wohlbefinden nicht zählt.

Nur wenn ich mich frage was jemand tun würde der sich selbst liebt, zähle ich, aber eben nur kurz, im nächsten Moment greift wieder das alte System.

Zum Beispiel als ich gestern vor dem Unfall bei der Gartenarbeit so fertig war und nicht mehr konnte, hat mir die Frage erlaubt aufzuhören, obwohl das System noch längst nicht mit mir zufrieden war, dann aber konnte es sofort wieder zugreifen, indem ich die ganze Zeit unzufrieden war mit mir und Pläne für die Verbesserung meiner Fitness schmiedete. Pläne, die mit meinem Wohlbefinden nichts zu tun haben, denn ob ich morgen oder übermorgen Sport und wenn dann welchen Sport machen will, das kann ich im Voraus gar nicht wissen.

Aber das System fordert mehr Sport. Fast schon ironisch, dass kurze Zeit später die ganzen Pläne für die Katz waren.

So geht es nicht, das ist nicht der Weg, noch mehr vom Alten, noch bessere Pläne, noch mehr Anstrengung. Frei nach Einstein, blöd oder ungesund oder verrückt oder so ist derjenige, der mit den immer gleichen Mitteln andere Ergebnisse erwartet.

Wenn ich das schreibe wird mir klar, meine Verletzung war doch für etwas gut, was da alles noch im Verborgenen in mir schlummert hätte ich sonst so schnell nicht herausgefunden.

Und wenn wir etwas wollen, in meinem Fall Heilung oder Entkommen der inneren Hölle, dann führt uns das Leben auf dem kürzesten Weg dorthin, das ist aber nicht gleichzeitig der angenehmste oder der schmerzfreiste Weg.

Es ist letztlich eine Erleichterung das zuzugeben, dass ich quasi nichts annehmen kann, weder Dinge die passieren, noch Dinge die sind, noch mein Gewicht.

Deswegen setze ich alles auf Null. Ich will alles vergessen was ich weiß, also was ich meine zu wissen, denn eigentlich weiß ich rein gar nichts, und alles neu betrachten. Die Dinge, die Menschen, die Gefühle, die Umstände alles.

Im Sinne von: Tut mir das gut oder nicht? Und was ist für mich überhaupt gut? Was macht dieses ‚gut‘ überhaupt aus? Wer oder was bin ich?

Und mein Kompass dabei ist meine Lieblingsfrage. Irgendwie befreiend dass ich nichts weiß, ich darf alles neu entdecken, nichts ist in Stein gemeißelt.