Einfach machen

Das angstauslösende Ereignis ist vorbei, es war sehr schön und alles ist absolut gut gegangen. Zwei Tage bin ich in ein riesiges Erschöpfungsloch gefallen, es hat mich emotional sehr geschlaucht.

Kurz vorher wurde es so schlimm, dass ich wieder gebrochen habe, da ging nichts mehr, schlagartig wurden die Augen schwer, der Schwindel überfiel mich und die Übelkeit. Da ich im totalen Funktioniermodus und noch einen straffen Plan hatte, konnte ich mich dem auch nicht einfach ergeben, mit Hilfe meiner Freundin ging das dann doch. So landete ich wieder über der Kloschüssel, und danach war die Welle vorbei, die Energie kam zurück und es ging mir wieder besser. Erstaunlich, immer wieder erstaunlich.

Was das soll, warum das so ist, wozu das so ist, das ist noch etwas im Dunkeln. Ich weiß nur, dass es alte Sachen sind, die aktuellen Situationen sind nur Boten, damit Altes aufgearbeitet werden kann.

Heute bin ich endlich wieder fitter, und schon wieder in der diffusen Bedrohung drin.

Hallo diffuse Bedrohung, ich sehe dich, danke dass du dich zeigst. Ich kann dich annehmen in Liebe. Kann ich etwas für dich tun, willst du mir etwas sagen?

Ich sehe ein Mädchen, die sich unter einem schwarzen Umhang versteckt. ‚Meine Botschaft an dich ist‘, sagt sie, ‚verfange dich nicht in deinen Gedanken, gehe in den Körper, in die Liebe und Stille, dort ist die Wahrheit‘

Oh, danke für diese Botschaft, aber was soll dann aus dir werden, aus der diffusen Bedrohung?

‚Ich suche mir einen Platz bei dir, der mir gefällt, an dem ich geborgen bin.‘

Aber gern, meine liebe diffuse Bedrohung, komm nur her und such dir einen Platz aus.

Das Mädchen setzt sich in meinen Solarplexus, ganz tief innen, geschützt und geborgen. Alles wird wieder weicher, tiefer, inniger, verbundener.

Jetzt spüre ich eine Schwere, hallo Schwere, danke, dass du dich zeigst. Ich nehme dich in Liebe an, ja das kann ich nicht nur sagen, sondern auch fühlen. Dass Annehmen und Liebe eins sind, das ist bei mir gefühlsmäßig angekommen. Was brauchst du von mir, willst du mir etwas sagen?

‚Ich brauche viel mehr Bewegung, viel mehr Training auch, du sperrst dich dagegen, aber solange du deiner Natur nicht gerecht wirst, kann ich nicht gehen. Ich meine nicht hartes Training, ich meine aber viel Bewegung. Laufen, Eislaufen, Fahrradfahren, Yoga, Krafttraining, Balancetraining. Ich kann dir sagen, dass du täglich solche Bewegung brauchst, das ist deine Natur und du weißt es auch.‘

Ja, das stimmt, aber irgendwie mache ich das nicht, da ist Widerstand. Hallo Widerstand, danke dass du dich zeigst, ich nehme dich in Liebe an, was brauchst du von mir?

Der Widerstand ist ein unglaublich dickes Mädchen, sie liegt in der Ecke, weil sie sich überhaupt nicht mehr bewegen kann, sie kommt gar nicht vom Boden hoch. Ich gehe hin und umarme sie. Sie weint. ‚Bitte verstoße mich nicht, bitte lass mich bei dir bleiben.‘

Aber sicher kannst du bei mir bleiben. Kann ich sonst noch etwas für mich tun?

‚Du musst mich in deinen Körper tragen, ich kann nicht alleine gehen.‘

Ok, ich mache das, ich hebe sie hoch und drücke sie an meine Brust, sie schmilzt durch die Haut in meinen Körper hinein und breitet sich überall aus.

Brauchst du noch etwas?

‚Nimm mich einfach immer mit und stoße mich nicht weg. Ich möchte dabei sein, so wie ich bin, ich möchte keine Aussätzige sein, und ich möchte auch nicht abgeschnitten sein von allem was Spaß macht, oder was Bewegung ist, nur weil ich dick bin. Du musst nicht warten bin ich weg bin, um dich zu bewegen, nimm mich mit, ich will das erleben.‘

Aber du bist doch der Widerstand gegen eben diese Bewegung.

‚Ja, solange ich außerhalb bin, verstoßen und ungewollt, solange klebe ich an Dir wie ein Betonsack und behindere dich. Aber wenn ich in dir sein darf, mit dir sein darf, dann werde ich leicht, dann verteilt sich mein Gewicht und behindert dich nicht.‘

Ich spüre das dicke Mädchen überall in mir, sie lächelt, weil sie hier ist, und freut sich, weil sie sich bewegen darf. Ich habe schon die Wäsche gemacht, ging ganz leicht. Ich spüre auch, diese Kleine braucht ganz viel Trost, sie ist nicht freiwillig so dick, sie leidet darunter. Sie will auch mehr Fröhlichkeit und Leichtigkeit.

Weißt du denn warum du dick bist?

‚Ja, weil ich mich nicht finden kann, ich will für mich gehen, aber da schwirren so viele Vorgaben um mich herum wie Bienen summen sie und fliegen in alle Richtungen, dass ich nur sitze und schaue und nicht weiß was richtig ist und letztendlich nichts mache.‘

Und kann ich etwas für dich tun, um dir zu helfen?

‚Ja, du kannst es einfach machen, ohne vorher zu wissen ob es richtig oder falsch ist, das wirst du dann schon merken, aber du musst es ausprobieren um dich besser kennenzulernen, oder damit ich mich besser kennenlernen kann. Ich bin diejenige, die von Vorgaben terrorisiert worden ist, ich bin das ‚gute‘ und ‚brave‘ Mädchen, das sich selbst nicht kennt und nicht vertraut, sondern in den Vorgaben der anderen verschwindet, sich bei dem Versuch zu entsprechen auflöst.‘

Einfach machen?

‚Ja, einfach machen, der Rest kommt von allein. Ich kann nur durch dich reifen, ich kann mich nur durch dich kennenlernen.‘

Mensch sein genügt

Liebe Angst, willst du dich zu mir setzen?

Ja, gerne.

Danke, dass du dich zeigst. Kannst du mir sagen, was du von mir brauchst?

Ich brauche ganz viel Daseinsberechtigung, dass ich nicht mehr verpönt, ungeliebt und versteckt werde, als dürfe es mich nicht geben. Es war so lange so.

Wie meinst du das?

Ich bin schon ganz lange da, aber früher konntest du mich nicht fühlen, ich lebte im Untergrund, das Fühlen von Angst wäre viel zu gefährlich gewesen, das durfte es nicht geben. Jetzt kannst du mich nicht mehr unterdrücken und das willst du auch nicht mehr. Doch sobald ich auftauche gerätst du in Aufruhr.

Ja, das stimmt. Ich fürchte mich dann. Angst bedeutet Gefahr.

Nein, Angst bedeutet erstmal nur Angst. Wenn du in die Augen des Löwen schaust, dann beduetet sie auch Gefahr, sonst aber nicht.

Aber es könnte etwas passieren.

Das stimmt, das könnte es immer. Du müsstest konsequenterweise immer Angst haben. Hast du das?

Nein.

Siehst du?

Nein, was soll ich sehen?

Dass es nicht darum geht, dass etwas passieren könnte, es geht um etwas anderes.

Hm. Solltest nicht du das wissen? Du bist doch die Angst.

Es geht um Schuld. Darum geht es. Sie ist dann schuld.

Ist sie schuld an der grundsätzlichen Unsicherheit der Welt?

So kennt sie es, was auch immer schief geht, sie ist schuld. Sie muss alles überblicken, alles kontrollieren.

Kann sie das denn?

Nein, natürlich nicht.

Müssen alle Menschen das?

Nein, nur sie.

Warum soll sie es tun, obwohl sie es gar nicht kann?

Sie muss versuchen das Unmögliche möglich zu machen.

Warum? Warum sie?

Weil sie sonst keine Daseinsberechtigung hat, sie muss perfekt sein.

Gibt es für sie kein Nachsehen, keine Milde, keine Freundlichkeit?

Nein, das hat sie nicht verdient, sie nicht.

Aber warum nicht, was ist an ihr so besonders?

Sie ist besonders Schuld und sie soll besonders leiden.

Warum?

Weil sie da ist.

Das ist der einzige Grund?

Ja. Mir fällt kein anderer ein.

Und nun? Ist das richtig so?

Nein, das ist falsch. Jeder der da ist darf da sein und hat das selbe Recht auf das Dasein. Es gibt keinen Grund warum sie besonders leiden müsste oder besonders schuld wäre. Sie muss nicht perfekt sein und auch nicht das Unmögliche möglich machen. Sie muss nicht alles überblicken und auch nicht alles kontrollieren. Mensch sein genügt.

Tränen, Tränen, viel Traurigkeit und viel Mitgefühl, weil es so ist wie es ist. Aber da ist auch ein inniges Gefühl des Verbundenseins mit mir, weil das, was ist, zum Mensch Sein dazugehört.

Und nun Angst? Wie geht es weiter?

Ich komme immer wieder. Darf ich dann bei dir sein?

Sicher. Jeder Gast ist willkommen, wie Rumi sagt, wer kommen will, hat seine Gründe, wer bin ich die in Frage zu stellen.

Danke, das tut mir gut.

Ich spüre den inneren Körper, dort tief drinnen ist es immer ruhig, immer schön. Ja, ich nehme an was kommt, ich bin dazu bereit. Ja ich bin bereit mich vom Leben lieben zu lassen. Bitte lieber Gott, hilf mir. So wie du mir immer geholfen hast. Danke.

Der Raum hinter der Angst

Ich habe gerade einen Selbsttest gemacht, so aus Spaß, der auswertet ob und wie stark esssüchtig man ist. Und, tadaaa!, Überraschung, ich bin überhaupt nicht esssüchtig.

Schon beim Beantworten der Fragen war mir klar, das meiste trifft auf mich nicht mehr zu, das war einmal, ist aber nicht mehr so. Die Dinge ändern sich wirklich, ändern sich umfassend und tiefgreifend.

Das macht mir Mut.

Und noch etwas habe ich festgestellt. Ich bin wieder in die Angstwolke eingetreten. Aus Erfahrung erwarte ich da nichts, sie verflüchtigt sich erst wieder, wenn das betreffende Ereignis vorbei ist.

Trotzdem habe ich angstfreie Momente. Wenn ich die Angstwelle voll annehme, wenn ich sie liebevoll hereinbitte und mich um sie kümmere, und wenn ich meine Aufmerksamkeit bewusst auf Dinge lenke, die die Liebe wachsen lassen.

Das klingt ja erstmal widersprüchlich, ist es aber gar nicht. Beide Herangehensweisen sind wichtig, habe ich herausgefunden.

Wenn ich nur bei der Angst bin, quasi beim Begleiten daran kleben bleibe, dann zieht mich das in einen Sog runter, aus dem ich nicht mehr rauskomme.

Wenn ich mich nur der Liebe zuwende, obwohl die Angst anklopft, dann laufe ich weg und verstärke sie damit, ziehe in den Kampf.

Also braucht es beides. Und das Zusammenspiel mit dem ich gut zurechtkomme ist immer die Angst zu beachten, wenn sie da ist, sie liebevoll zu begleiten, und dann aber auch aus der Liebe heraus, die Aufmerksamkeit abzuziehen und sie bewusst auf etwas zu lenken was essentiell gut ist. Z. Bsp auf den inneren Körper, auf den Atem, auf die Stille hinter den Geräuschen, auf Gott, der in meinem inneren wohnt. Was sich gerade zeigt.

Überhaupt, der innere Körper ist ein Wunder für sich. Eckhard Tolle sagt, solange wir mit dem inneren Körper verbunden sind, haben Spannungen keinen Raum.

Als ich das zuerst gehört habe konnte ich das nicht glauben. Aber ich habe es sofort ausprobiert. Und ja, sobald ich die Aufmerksamkeit auf die innere Energie lenke, setzt sie sich in Bewegung, Blockaden und Spannungen fangen an sich zu bewegen, es ist unmöglich die Spannung festzuhalten.

Mich bringt es auch in Kontakt mit einem tiefen Frieden, der unterhalb aller Wallungen liegt, mit der Tiefe des Ozeans. Noch ein Tor um diese Stille, die unbedingt liebevoll ist, zu erreichen. Denn das Liebevolle muss ich mir nicht dazu denken, muss ich mir nicht extra herholen, nein in diese tiefe ruhige Stille ist es direkt eingewoben, als sei die Stille die Liebe.

Ich bin so glücklich, am Sonntag dachte ich noch, mich erwarte eine Woche Angst, eine Angst der ich ausgeliefert bin und die ich nur irgendwie, so liebevoll wie möglich, überstehen kann.

Aber es gibt einen Raum hinter der Angst. Einen Raum der die Angst nicht wegdrückt oder negiert, der aber mit ihr durch sie hindurchgeht bis zu einem Punkt an dem die herrlichste Stille thront.

Die Wand

Das stabile geerdet Sein in der Liebe, die Verbundenheit mit dem klaren freien Teil ist nur solange da, solange ich nichts im Außen mache. Kontakt mit anderen, egal in welcher Form katapultiert mich im besten Fall ins Aushalten, im schlechtesten Fall in die Panik.

Die Erkenntnis des letzten Wochenendes. Nicht dass ich das nicht schon gewusst hätte, aber nun war der Vergleich für mich nochmal deutlicher, die Grenze schärfer und klarer sichtbar.

Angesichts all der Draußen Verpflichtungen, ist der Punkt der Ruhe, das Auge des Sturms für mich nicht mehr erreichbar.

Und wenn ich mich frage, was ich tun würde, wenn ich mich selbst lieben würde, kommt als Antwort, dass ich es annehmen würde, dass ich aufhören würde dagegen anzukämpfen. Dass ich den momentanen Stand der Dinge einfach anerkenne.

Aber leider geht das auch nicht.

Hatte inzwischen eine Therapiestunde, die erste seit sechs Wochen. Die war auch nötig. Meine Therapeutin konnte genau das für mich machen, was ich alleine nicht mehr konnte, freundlich auf alles schauen.

So konnte ich es am Ende der Stunde auch wieder. Anerkennen, dass die Wand aus Dissoziation und Angst, die sich immer wieder vorschiebt, mein Überlebensprogramm ist, mich gerettet hat.

Sobald ich sie ablehne, mich über sie ärgere, sie nicht haben will, verstärke ich nur das Muster, das Tor ist in der Liebe, nicht in der Angst.

Und in diesem Fall bedeutet Liebe, dass ich freundlich darauf schaue, dass gerade wenig Liebe zur Verfügung steht, weil die Wand alles abschneidet.

Ob ich freundlich darauf blicken kann hängt davon ab, inwieweit ich die Leistung dieses Musters anerkenne, inwieweit ich sehen kann, dass es mich gerettet hat. Und auch inwieweit ich akzeptieren kann, dass es immer und immer wieder startet und starten wird.

Denn oft schiebt sich die ‚das-war-doch-alles-nicht-so-schlimm‘ Einstellung in den Vordergrund, aber das ist die Stimme meiner Mutter, ihr Mantra, mit dem sie sich und mich eingelullt hat.

Doch es war schlimm, allein, dass ich eine solch massive Wand ausgebildet habe, dass ich so umfassend dissoziieren musste um die Angst zu überstehen, zeigt, wie schlimm es für mich war. Das braucht offensichtlich immer und immer wieder eine Anerkennung.

Aus der damaligen kindlichen Perspektive war ich hilflos der Willkür ausgeliefert, was passieren würde war nicht berechenbar, es konnte schlimm sein, es konnte tödlich sein, es konnte nichts sein. Ich musste mit allem rechnen, und konnte nichts berechnen. Totale umfassende Unsicherheit.

Nur Essen war die Grenze. Das Essen musste gesichert sein, das war das Einzige, was meine Mutter durchsetzen konnte, solange ich esse, passiert mir nichts, Time-Out, Waffenstillstand.

Ich verstehe die Zusammenhänge immer besser, in solchen Situationen hänge ich mich ans Essen, es darf nicht abreißen, sonst bin ich geliefert, solange der Essensstrom weiter fließt, habe ich Gefechtspause.

Außerhalb des Essens nur Wand, Totenstarre, nichts sehen, nichts hören, nichts fühlen, nichts schmecken, bis die Gefahr vorübergeht. Doch nach der Gefahr ist vor der Gefahr.

Wenn die Wand kommt, werde ich genau dorthin zurückgeworfen, in diese feindliche und unberechenbare Welt. Es wieder genau anzuschauen, es anzuerkennen, das bringt mich wieder in Kontakt mit der Liebe, mit meinem ganzen Mitgefühl meinem Schicksal gegenüber, mit der ganzen Milde zu der ich fähig bin.

Es kann eben nicht anders sein, aber die Liebe, die ist jetzt auch wieder da. Die Wand und die Angst bekommen auch etwas ab von der Liebe, der Druck geht runter, die Spannung sinkt.