Weich, sanft und orange

Ich weiß gar nicht was ich schreiben soll, ich vermeide es den ganzen Tag, weil ich da nicht hinschauen will, aber vom Wegschauen wird es nicht besser.

Gestern Nacht hatte ich wieder den Ring und gebrochen habe ich auch. Das Übergeben ist dann allerdings entlastend, danach geht es besser, und auch gestern konnte ich schnell danach wieder einschlafen, auch ohne Schmerzmittel. Seit dem Sommer ist das nicht mehr passiert, eine eher lange Zeit.

Ich bin wieder mal in einer totalen Überforderung. Ich spüre sie auch ohne Ring. Es presst mich zusammen, ich sitze wieder im Loch und die Steine purzeln nur so auf den Eingang. Ich versuche nicht mal sie wegzuräumen.

Es war viel, aber viel ist es immer. Ich glaube nicht, dass das alles ist. Aber ich weiß nicht wo ich anfangen soll.

Ich habe eine kurze Pause gemacht um etwas zu holen und unterwegs fiel mir eine Geschichte aus der Kindheit ein, die mit Scham und Peinlichkeit zu tun hat. Und sofort ist da Resonanz in mir.

Darum geht es also, um Scham, um nicht richtig sein. Sofort kommen die Tränen. Ja, darum geht es.

‚Ich bin einfach nicht richtig, so ein Versager, nichts kann ich, ich habe mir so viel vorgenommen, ich mache es nicht, was ich mache ist nicht gut genug, und ich schaffe es nicht aus diesem Loch herauszukommen, ich will mich nicht mehr getrieben, überwältigt und überfahren fühlen. Kann mir nicht irgendjemand helfen? Bitte lieber Gott hilf mir es anders sehen zu können, hilf mir einen anderen Blickwinkel einnehmen zu können.‘

Es erscheint eine Helferfigur, eine Katze, eine orangefarbene, weiche, sanfte, geschmeidige, wunderschöne Katze. Sie umschwirrt, umschmeichelt und umstreichelt mich. Das tröstet mich.

‚Du musst dich erstmal pflegen‘, sagt die Katze. ‚Komm zu Kräften, sei einfach nur freundlich, liebevoll und gnädig zu dir, weil es dir nicht gut geht. Du wirst dich erholen, und dann wirst du es auch wieder anders sehen können. Geh schlafen, lies noch etwas Schönes, Stärkendes, nichts was wieder eine Aufgabe anbietet, lass dich fallen in diese Stimmung, entspanne dich da hinein, roll dich ein und mache eine Pause, so wie ich das sehr gut kann.‘

Das stimmt, sie kann das wirklich gut. Katze sein ist sicher gemütlich. Und sie hat recht. Ich schwinge sofort mit, ihr Rat trifft ins Schwarze, ich roll mich zusammen und pflege meine Wunden, das fühlt sich auf der Stelle wohltuend an, alles wird weicher, weiter, sanfter, ich freue mich auf mein Bett.

Ich seh was was du nicht siehst

Zur Zeit vier Tage Seminar. Ziemlich anstrengend, zu anstrengend, zumal es mir körperlich nicht gut geht.

Es gibt eine Diskrepanz zwischen meiner Wahrnehmung und der Wahrnehmung der anderen. Ich fühle mich träge, schwerfällig, wie ein schwerer Kloß, ohne Kraft und Energie.

Und ich bekomme Rückmeldungen ich sei so hochenergetisch, schnell, zu energetisch, zu schnell. Das verwirrt mich auf eine unangenehme Art. Ich kann es nicht verstehen, nicht einordnen.

Darf das sein, dass du das nicht einordnen kannst? Dass du das vielleicht erst noch ein wenig beobachten musst, erforschen musst, damit experimentieren musst?

Das darf schon sein, aber trotzdem fühle ich mich so uneinschätzbar. Ich kann mich selbst nicht einschätzen, meine Wirkung auf andere nicht einschätzen, das macht mir Angst. Ich denke es ist so und so, und dabei ist es völlig anders, das katapultiert mich in den luftleeren Raum.

Was ist dort?

Totale Unsicherheit. Ich bin eine unberechenbare Zeitbombe. Jederzeit könnte ich etwas Schreckliches tun und es selbst nicht merken.

Ist denn die Diskrepanz in der Wahrnehmung automatisch damit verbunden, dass du etwas Schreckliches tust? Könntest du nicht auch etwas Gutes tun?

Vielleicht, aber das würde ich auch nicht merken.

Hm. Kennst du das irgendwoher?

Ja, ich kenne das, als ich nach Deutschland kam, war es genauso, die alten Regeln und Verhaltensweisen galten nicht mehr, ich war irgendwie für die anderen unverständlich, ich wusste nie welche Reaktion mein nächstes Wort und meine nächste Handlung auslösen würde. Es war ein Minenfeld. Ich wurde plötzlich ausgelacht und verstand nicht wieso, die Leute wurden sauer und ich verstand nicht wieso. Ich traute mich nichts mehr, ich überlegte ewig ob ich wirklich etwas sagen soll. Es war furchtbar.

Ja, das war furchtbar. Damals gab es niemanden der dir dabei zur Seite gestanden wäre. Es gab keinen Erwachsenen, der dir die Welt hätte erklären können, es gab keinen Erwachsenen, der dich getröstet hätte oder dir beigestanden hätte.

Ja das stimmt. Heute kann ich mich in meiner Verwirrung begleiten, heute bin ich Gott sei Dank erwachsen.

Es fühlt sich besser an, es hilft zu wissen was es triggert, auch wenn es an der Sache an sich, dass diese Diskrepanz besteht, nichts ändert. Ich kann es nun annehmen.