Traurig schön

Heute morgen bin ich schon niedergedrückt aufgewacht. In einer Untergangsstimmung. Jede Begebenheit drückt mich noch tiefer rein. Das Geld, dass meine Tochter ihr Schulzeug liegen gelasssen hat, dass es so kalt ist, dass am Auto etwas ist und es heute abgeholt wird und ich nicht weiß wann es wieder da ist, dass ich dem Werkstattmenschen, der es abholt dringend noch was sagen muss und Angst habe es zu vergessen, dass ich heute noch einkaufen muss und nicht weiß was ich kochen soll, dass der Geburtstag meines Sohnes noch nicht organisiert ist, hoffentlich macht sein Freund, der in ein Paar Tagen feiert nicht genau das selbe, denn was machen wir dann, dass ich gleich zum Kinderarzt muss und überhaupt diese Woche noch so viele Termine habe, also nicht ich, sondern die Kinder, die mit Aufwand verbunden sind, dass ich heute noch die fehlenden Unterlagen fertig machen muss, dass ich noch bla, bla, bla, es hört nicht auf, ich bin mitten im Strudel.

Mir war das gar nicht klar, bis ich las: ‚Oder ist dein Geist so voll der Besorgnis und täglichen Sorgen, dass du blind und taub und niedergedrückt bist und nichts von den Wundern und Schönheiten um dich herum siehst?‘

Genau so ist es: voll Besorgnis, blind und taub und niederdrückt. Jetzt wo ich es gesehen habe, kann ich mich verbinden, sofort kommen die Tränen, Schmerz und Mitgefühl vermischen sich, es ist wie es ist, die Gedankenspiralen gehören einfach dazu. Sie werden immer und immer wieder kommen.

Sofern ich sie bemerke, so wie eben, bin ich nicht mehr drin, ich bin schon auf einer anderen Ebene, weil ich sie anschaue. Auf dieser Ebene ist ganz viel Mitgefühl und Verständnis für meine Situation, keinerlei Versuch etwas zu ändern oder zu bewerten, hier ist nur Trost und Liebe.

Die Traurigkeit ist noch da, trotzdem kommt die Energie zurück. Mir scheint, die Hoffnungs- und Sinnlosigkeit und damit zusammenhängend die Energie hängen ganz stark damit zusammen wie sehr ich mich im Gedankenkarussell befinde.

Das bedeutet aber auch, wenn ich mich erinnere, dass ich mehr bin als meine Gedanken, auch wenn ich sie nicht kontrollieren kann, so kann ich doch entscheiden wie viel Aufmerksamkeit ich ihnen schenke. Wenn ich mich mit dem freien Teil in mir verbinde, bekommen sie automatisch den Platz der passend ist.

Wieder bedrückt. So diffus. Der Mechaniker, der das Auto abholen sollte ist noch nicht aufgetaucht. Ich bin kurz vorm Weinen, kann aber nicht wirklich, so als bräuchte ich noch eine Erlaubnis.

Ich spüre, das hat einen anderen Grund, der Mechaniker ist nur der Auslöser, ich gehe da mit, vielleicht zeigt sich was drunter ist.

Stelle den Wecker auf 10 Minuten. Druck im Kopf, ein inneres Zittern, in meinem Brustkorb ist ein Loch, ein Loch voll Traurigkeit. Weiter unten im Bauch ist auch Freude. Tatsächlich. Strange. Wenn ich in den Brustkorn fühle, werden die Augen sofort feucht, wenn ich in den Bauch fühle, spüre ich eine freudige Ruhe, die mir auch die Tränen in die Augen treibt, Tränen des Berührtseins.

Je länger ich hinspüre, desto mehr vermischen sie sich, eine traurige ruhige Freude, ein ganz tiefes Berührtsein, eine ruhige Melancholie. Ohne Worte. Als wäre eine Saite in mir zum Schwingen gebracht worden, die tief und tragisch klingt, schön und bewegend.

Es ist einfach da und ich genieße es, mehr gibt es nicht zu tun.

Der innere Kompass

Ich habe das ganze Wochenende auf dem Sofa mit Wintersport schauen verbracht. Seit ich Kinder habe habe ich das nicht mehr gemacht, weil ich tagsüber den Fernseher nicht anmachen wollte, und weil ich keine Erlaubnis hatte den Tag vor dem Fernseher zu verbringen.

Jetzt kam mir natürlich mein Sohn zu Hilfe, der das unbedingt anschauen wollte, aber ich habe bemerkt, dass ich mir die Erlaubnis zu Nichtstun geben konnte.

Am Abend hatte ich einen richtigen Quadratschädel, ich konnte das Bedürfnis nach frischer Luft ganz deutlich wahrnehmen. Also bin ich kurz im Garten rumgelaufen. Kleinste Schritte. Wenn ich von mir verlangt hätte in den Wald zu gehen oder so, dann wäre der Schritt viel zu groß gewesen und ich hätte es gar nicht gemacht.

Das ist mir überhaupt aufgefallen. Wenn in mir der Kampf tobt, der eine Teil will etwas und der andere will es verhindern, dann kann ich nach dem kleinsten Schritt suchen, so dass alle Teile damit einverstanden sind. Dann hört der Kampf sofort auf. Und aus dem kleinen Schritt kann noch ein größerer werden, oder auch nicht, aber das spielt dann keine Rolle mehr.

Kaum schreibe ich das, schon fällt mir die Wäsche wieder ein. Die verdränge ich regelmäßig. Trotz zig Eintragungen in den Kalender.

Der Widerstand ist groß und steht wie meistens im Vordergrund. Nicht dass ich den nicht schon gefühlt eine Million mal hinterfragt hätte, es ist der rebellische Teil, der grundsätzlich mit aller Vehemenz gegen alles ist. Dem kann man mit Vernunft oder Verantwortung nicht kommen, das interessiert ihn nicht.

Jetzt brauche ich die Sehnsuchtsmutter, sie liebt einfach alle, sie ist die Liebe selbst. Heute kann ich nicht einfach über die Grenze schreiten, es ist recht viel Grau über das Licht, ich brauche das konkrete Bild um mich zu verbinden. So geht es aber.

Und wie ist es jetzt? Sofort fühle ich mich in meinem Leben zuhause. Ich spüre ein warmes Gefühl in der Brust, und Freude darüber, dass ich ich bin. Die Wäsche ist immer noch nicht besonders spannend, aber ich liebe mein Leben, und sie gehört nun mal dazu, also ist es leicht es in Angriff zu nehmen, ohne viel nachdenken, ohne Zweifel.

Viel später. Werde mit der Büroarbeit, die ich mir für heute vorgenommen hatte nicht fertig, vier Mal Hausaufgaben korrigieren plus für zwei Schulaufgaben lernen haben viel länger gedauert als erwartet.

Druck im Kopf, brauche eine Pause, der Teig fürs Abendessen muss noch gehen, hätte eine gute halbe Stunde Zeit.

Fahrradfahren oder im Garten rumlaufen. Es zieht mich in den Garten, frische Luft. Aber ein Teil will aufs Fahrrad, intensive Bewegung. Die Tür beim Fahrradfahren aufmachen geht nicht, viel zu kalt (für die anderen). Ich kann keine Entscheidung treffen. Ich verbinde mich.

Verbunden merke ich sofort, es gilt die Zeit nicht zu vertrödeln, sondern sie für mich zu nutzen, erst ein wenig raus, das Bedürfnis nach Luft ist groß, und wenn es noch geht, noch ein wenig aufs Fahrrad, mal schauen.

Hach, kaum war ich draußen wollten die Kinder eine Schneeballschlacht machen, also Luft und Bewegung. Wenn man seiner Intuition folgt, fügt sich eins ins andere.

Überhaupt ging heute viel, ich hatte mehr Energie als sonst zur Verfügung.

Für mich ist der Unterschied in der Übernahme von Verantwortung, in der Anerkennung der Realität, im Ausfüllen des Lebens, das ich führe. Weil mein Überlebensmodus ‚Nichts-Mitbekommen‘ und ‚Im-Zweifel-ist-alles-egal‘ heißt.

Für mich reicht es auch nicht mehr aus, nur zu fühlen was ist, das ist die Voraussetzung und das kann ich schon lange, aber nur fühlen was ist zieht mich nur weiter in den Sumpf.

Erst die aktive Verbindung mit dem freien, liebevollen Teil in mir, eröffnet mir das neue Land.

Ich fliege zwar ständig raus, bei jeder Anforderung, bei jedem Unwohlsein, aber im Gegensatz zu früher, ist Rausfliegen kein Drama mehr, ich kann ja wieder rein. Und genau wie früher, als ich erst meinen Körper gar nicht fühlte, dann manchmal und irgendwann meistens, so bin ich zuversichtlich dass sich meine Aufenthalte im neuen Land mit Übung und Bewusstsein verlängern werden und immer selbstverständlicher werden.

Was auch interessant ist, da meldet sich die letzten Tage ein Kritiker, der meint ich könne doch nicht dauernd schreiben wie schön alles ist.

All die Jahre, als ich in einen ständigen Sumpf war, war es völlig in Ordnung, das auszubreiten, aber einen Fortschritt soll ich doch bitte nicht so betonen.

Nein, sagt die Liebe, die Betonung des Negativen hält es am Laufen, das was meine Aufmerksamkeit bekommt wächst. Mit Negativem meine ich nicht das was ist, unangenehme Gefühle oder Ereignisse, sondern die Dramaspirale in die ich dann eintauche.

Neulich im Seminar hat uns die Dozentin erzählt, dass (schwer) Depressive ihre Depression ständig füttern, egal was passiert, sie interpretieren es so, dass es sie runterzieht. So nach dem Motto: ‚Ja, ok du schenkst mir die Welt, aber ach, das hat mir schon mal jemand geschenkt, das hat auch nichts genützt.‘ Solange sie also aktiv die Gedankenspirale am Laufen halten, so lange ist es völlig egal was passiert, es wird auf eine negative Art interpretiert.

Da ist mir sofort aufgefallen, genau so mache ich es mit dem Drama. Bis jetzt. Nun kann ich aussteigen. Es ist möglich.

Kann ich gleich nochmal üben, meine jüngste Tochter hat einen etwas unstimmigen Magen. Sofort kommt die dunkle Wolke der Bedrohung. Vielleicht wird sie krank, und dann vielleicht wir alle, oh nein, Panik!

Ich verbinde mich. Bei Panik ist es am schwersten. Bitte hilf mir es anders zu sehen!

Ich fühle ganz viel Mitgefühl für mich, weil ich bei solch alltäglichen Begebenheiten in Angst gerate. Ich habe ganz viel Verständnis für diesen Teil, der nicht anders kann, ich halte ihn in meiner Umarmung. Mehr geht im Augenblick nicht, hier ist Schluß, trotzdem ist es gut, der Frieden kehrt ein.

Und auch das ist erstaunlich. Bis jetzt habe ich von außen entschieden was ich mache, Erforschen ober nur begleiten usw. Jetzt, wenn ich verbunden bin, ist es von innen ganz automatisch klar was ich brauche und auch wo die Grenze ist.

Ein Teil hätte am liebsten keine Angst mehr, aber die Liebe weiß, das geht im Moment einfach nicht, das wäre eine Anstrengung, eine Überforderung. Dieser innere Kompass ist einfach klar. Unmissverständlich. Führt mich ganz sicher entlang des schmalen Pfades zwischen Drama-Sumpf und Überforderung durch zu viel wollen.

Das Universum schreitet zügig voran

Ich lege bewusst den Fokus nicht auf das Essen.

Trotzdem, oder gerade weil, sobald ich verbunden bin, ändert sich etwas.

Gerade habe ich mir Frühstück gemacht. Heute morgen zieht es mich sehr oft weg, immer wieder schiebt sich das Grau, das alte Land in den Vordergrund.

Das alte Land ist die biographisch gelernte, erworbene Angst, das neue Land ist die Liebe, das was unser natürlicher Zustand ist, der Zustand in dem wir auf die Welt kommen. Bei Marianne Willliamson steht, wenn Liebe da ist, hat Angst keinen Platz, alles, alles wird von der Liebe durchleuchtet und verwandelt.

Heute tippele ich also auf der Grenze herum, ich falle mal nach links ins alte Land und gehe dann wieder bewusst nach rechts ins neue Land.

Im neuen Land weiß ich genau was ich essen möchte und gönne mir die Zubereitung, im alten Land mache ich mir viel zu viel davon auf den Teller, die Angst zu wenig zu bekommen ist da.

Die Liebe, mit der ich mich während des Essens verbinden konnte, erlaubt mir zu verlangsamen, zu spüren, dass ich esse und wie es schmeckt. Wow, wirklich, mit der Liebe verbunden geht es gar nicht anders, mir dann das Essen nebenbei reinzuschieben wird sicht- und fühlbar als das was es ist: Gewalt. Die Illusion des ‚Guten‘, dass Essen sonst fast immer für mich hat schmilzt dahin in der Liebe.

Ich werde unsicher, ob ich noch Hunger habe oder nicht. Die Angst will, dass ich jetzt ganz genau untersuche und erforsche und nachspüre um ja keinen Fehler zu machen. Der Druck steigt.

Die Liebe besänftigt, sie vertraut darauf, dass ganz klar ist wann genug ist. Es ist keine Anstrengung nötig. Ich verbinde mich, es wird innerlich wieder weicher und wärmer, ich kann das Vertrauen spüren, dass ich wissen werde, wann es genug ist. Und wenn nicht, dann ist es gar nicht schlimm, sagt die Liebe. Das bringt die Angst endgültig zum Schmelzen.

Ich esse in völliger Ruhe weiter, und trotzdem irgendwie nebenbei. Ich kann es nicht anders beschreiben, oder vielleicht so: ohne dem Essen eine höhere Bedeutung beizumessen, als es hat. Es bekommt seinen richtigen Platz.

Was für eine Wohltat. Mit fällt ein, vor Jahren hat mir eine SuH-Therapeutin (aus der ersten Ausbildungsgruppe) gesagt, wenn man etwas an sich Gutes tut, wie zum Beispiel langsam essen oder sich hinlegen wenn man müde ist, das nur vom Verstand her tut, aber nicht die volle innere Erlaubnis dazu hat, dann nährt es nicht, dann verursacht es im Gegenteil noch mehr Druck oder Stress. Das habe ich damals registriert aber nicht verstanden.

Aber jetzt. Wenn ich aus vollen Herzen ja sagen kann dazu, dann nährt es mich. Wenn es aus der Liebe geschieht und nicht aus der Angst, aus der Angst etwas falsch zu machen z. Bsp.

Puh, Alarm, Trigger. Meine Mutter rief eben an. Mein Vater kann den Namen unserer Sohnes nicht leiden, also hat er ihn umbenannt, eine Abkürzung erfunden, die nur er benutzt, sonst keiner. Außer meiner Mutter wenn er in der Nähe ist. Wie eben. Sie stockte noch bevor sie den Namen nannte, bei uns nennt sie seinen richtigen Namen, jetzt fiel ihr gerade noch rechtzeitig ein, dass mein Vater wohl mithörte.

Sofort steigt Wut und Abscheu hoch. Ich fange an was dazu zu sagen, merke sofort, dass es sinnlos ist wie immer. Das alte Land stürmt über mich hinweg, ich werde mitgerissen, so schnell und heftig geht das. Das Telefonat ist längst vorbei, und ich bin immer noch mitten im Sturm. Altbekannter Sturm, schon tausend Mal gehabt.

Ich rufe die Liebe. Sie kommt sofort und tröstet mich erst, erlaubt mir den Schmerz zu fühlen, der unter der Wut liegt. Es ist so unendlich traurig, dass sie immer noch mitmacht, dass sie nicht sehen kann, wie absolut unnötig es ist, dass sie ihm nicht gehorchen muss. Die Liebe lässt mich auch verstehen, dass sie es eben nicht kann. Jetzt nicht, vielleicht nie. Die Liebe lässt mich annehmen, dass offener Widerstand in ihrem (meiner Mutter) Repertoire nicht vorkommt. Sie fürchtet die Konsequenzen, sie ist 24 Stunden am Tag mit ihm zusammen. Sich zu unterwerfen ist für sie das kleinere Übel. Ich kann es nicht verstehen, also nachfühlen, es ist zu weit weg von mir, aber durch die Liebe kann ich akzeptieren, dass es so ist.

Die Liebe bleibt bei mir und steht mir bei, während die Welle langsam abklingt.

Sofort kippe ich ins alte Land, das schlechte Gewissen packt mich, du warst aber unfreundlich und kurz angebunden, besonders angesichts der neuen Erkenntnisse, dass sie nicht anders kann.

Ich mache den Schritt über die Grenze ins neue Land. Die Liebe nimmt mich fest in den Arm, hab Erbarmen mit dir, du warst total überfordert, mitten im Sturm der Wut, es war das Gnädigste was du tun konntest, dieses Telefonat schnell zu beenden. Gnädig dir gegenüber und auch gnädig ihr gegenüber.

Ja, das stimmt, ich kann den Trost spüren, auch ich konnte in diesem Moment nicht anders, ich habe es so gut gemacht wie es ging. Der Frieden kehrt wieder ein.

Das Universum schreitet zügig voran. Kaum habe ich etwas bewältigt kommt die nächste Herausforderung.

Meine Mutter schreibt mir immer wieder Emails in denen sie mich kritisiert, was ich alles falsch mache usw. Normalerweise lese ich sie nicht, sondern lösche sie gleich.

Heute habe ich eine solche gelesen. Das Telefonat vorhin scheint sie recht getriggert zu haben, denn es ist die Rede von meinem ‚unermesslichen Egoismus‘, dass ich grundsätzlich ‚respektlos gegenüber anderen‘ bin, und ’so faul, dass mein Mann und die Kinder darunter leiden‘. Das ist alles O-Ton. Normalerweise höre ich solche Dinge von meinem Vater. Sie denkt es auch, natürlich, jetzt stimmt das Bild wider, deswegen bleibt sie auch bei ihm, sie hängen an der selben Kette fest.

Meine übliche Art damit umzugehen, ist dass ist so tue als hätte ich das alles gar nicht gehört bzw. gelesen. Heute habe ich mir erlaubt das wahrzunehmen. Getragen von der Sehnsuchtsmutter konnte ich der Trauer Raum geben, der Trauer darüber, dass die eigene Mutter so von mir denkt, dass sie so voller Hass ist, dass sie sich so ein Bild zurechtgerückt hat.

Und als die Welle der Trauer vorbei war, blieb Mitgefühl für mich übrig, vor allem für mich als Kind, weil ich genau diesem Hass ausgesetzt war, weil ich mich fast mein ganzes Leben durch ihre Augen gesehen habe. Ja, all das was sie über mich denkt, all das dachte ich bis vor Kurzem selbst über mich.

Im Licht der Liebe weiß ich, dass sie Unrecht hat, da gibt es keinen Zweifel. Und ich sehe ihre Verstrickungen ganz deutlich, sie lebt ihr Leben nicht, und die anderen sind daran Schuld. Aber so aggressiv und bösartig hat sie das noch nie geäußert, sie will ja unbedingt als unantastbar gut dastehen.

Ich drifte wieder ab, ich betrete wider das Land der Angst, jede Menge Bösartiges fällt mir zu meiner Mutter ein. Das kenne ich aber alles. Dieser Teil in mir will ihr unbedingt alles an den Kopf werfen, eine riesige Email schreiben, in der alles aufgezählt ist.

Und dann, was kannst du dann?

Sie soll es endlich einsehen!

Hast du ihr das denn noch nie gesagt?

Doch schon oft.

Und hat es etwas genutzt?

Nein, nichts. Du hast recht, es ist aussichtslos, sie wird es nicht so sehen wie ich.

Trauer. Tränen.

Kann ich es anders sehen?

Ja, die Liebe sagt, es ist wie es ist, die Zusammenhänge sind klar, die Verstrickungen kann ich sehen, es ist weder meine Aufgabe noch liegt es in meiner Macht meine Mutter vor ihrem Schicksal zu retten. Aus Respekt vor ihrer Kraft lege ich die Verantwortung für ihr Leben da wo es hingehört, in ihre Hände.

Ich darf und muss mich abgrenzen. Ich sage deutlich STOPP. Ich habe ihr geschrieben, dass ich solche Anschuldigungen in Zukunft nicht mehr hören möchte. Das war mein Zeichen an sie. Was sie daraus macht ist ihre Sache.

Es fühlt sich gut an, so insgesamt, ich bin durch Verschiedenes gegangen, heftige Wellen waren das, aber mein Vertrauen, dass mich die Liebe da hindurch leitet war groß. Es gab keinen Moment der Überwältigung.

Es wird wieder ruhig in mir.

Es wäre wohl besser gewesen nichts zu schreiben wie sonst. Sie fühlte sich dazu angehalten zu antworten. U.a dass ich wohl zu sehr geliebt worden bin und das sich das schnell ändern kann. Ich bin total baff angesichts von so viel Realitätsverlust. Mein Mann auch.

Jedes Wort ist sinnlos. Trotzdem war es gut ganz klar eine Grenze gezogen zu haben. Das fühlt sich gut an.

Ich verbinde mich noch mal bewusst mit der Sehnsuchtsmutter, ihre Kraft ist wieder stark, ich scheine sie sehr zu brauchen. In ihrem Licht erscheint all diese Auseinandersetzung als das was es ist, traurig und falsch, falsch in dem Sinne, dass es am Wesentlichen vorbei geht, an der Liebe. Aber es kann nicht anders sein.

Sie hilft mir zu sehen, dass ich heute nicht mehr dort stehe, ich habe das längst hinter mich gelassen, in meiner Welt ist Licht und Liebe und Freude. Es wird mir ganz warm und freudig ums Herz.

Der Kampf ist vorbei

Die Wirkung des Sehnsuchtsbildes als Einstieg verblasst zunehmend. Das habe ich erwartet.

Ich brauche es auch nicht mehr. Das Bild war der Schlüssel, das Tor ist ja nun offen, ich brauche keinen Schlüssel mehr.

Im ersten Augenblick als ich merke, dass die Kraft des Vorstellung nachlässt, überfielen mich sofort die Stimmen, die sagten, siehst du, das wars, du hast noch nicht gedacht, dass sich wirklich etwas ändert, aber dann spürte ich das Vertrauen, ein Vertrauen darauf, dass wenn das Bild verblasst ich es vielleicht nicht mehr brauche.

Und ja, ich habe diesen Blick aus dem Herzen, diesen Blick auf die Welt aus dem freien Selbst verankert, ich kann den Wechsel bewusst vollziehen, auch ohne die Sehnsuchtsmutter.

Mir eröffnet sich die Sicht auf das ganze Zusammenspiel. Ich sehe, wenn so viele Schichten und Stimmen drücken, so dass ich den Blick wechseln kann, es aber nicht in die Welt bringen kann, nicht in Handlung umsetzen kann. Aber auch hier geht Annehmen, es geht gerade nicht, das kann ich so klar sehen, dass keine Zweifel übrigbleiben. Auch kein Raum für Selbstanklagen oder Antreiber ‚Du musst es noch mehr versuchen‘ usw.

Eine Klarheit ist eingetreten. Ich sehe den Stand der Dinge. Es ist wie es ist, und daran gibt es keine Zweifel. Ich kann es auch als Bild sehen, die inneren Bilder sind für mich eine starke Ressource, als Kind und Jugendliche habe ich mir zum Einschlafen jeden Abend Filme vorgespielt, vor dem inneren Auge, lange, aufwendige Fortsetzungsgeschichten, ich habe mich beim schlafen gehen schon richtig darauf gefreut.

Jedenfalls sehe ich das innere Licht leuchten, und kann sehen ob die Schicht, die drüber liegt nur hauchdünn und hellgrau ist, dann löst sie sich auf, wenn ich mich mit dem Licht verbinde, oder ob sie dick und dunkelgrau ist, dann kommt das Licht nicht an die Oberfläche, vermag jedoch von innen zu wärmen. Und weil ich das sehen kann zweifle ich nicht mehr an die absolute Richtigkeit, an die absolute Notwendigkeit des Augenblicks. Es ist wie es ist und es kann nicht anders sein.

Der Kampf kann aufhören. Endlich. Es gibt nichts zu bekämpfen. Das Licht zeigt mir, was in diesem Moment möglich ist und was nicht. Das Mögliche ist leicht und klar. Im Licht wird das Notwendige selbstverständlich. Zum Beispiel an erster Stelle gut für mich zu sorgen. Körperlich und emotional. Das wird sonnenklar, das nichts, absolut nichts einen Sinn macht, wenn das nicht gewährleistet ist.

Es ist klar, wann der Akku leer ist und nichts mehr geht, es ist klar, dass wenn der innere Druck zu stark ist ein dagegen Angehen nur ein Kampf sein kann, es ist aber auch klar, wann Raum und Energie da sind, und ich nur aus alter Gewohnheit gegen mich handle. Almaas nennt diesen Aspekt unserer essentiellen Natur Brillanz, klar zu sehen wer wir wirklich sind aber auch wo wir aktuell noch verstrickt oder nicht ganz sind. Aber immer im Bewusstsein, dass wir dem als freies Wesen nicht ausgeliefert sind.

Jetzt zum Beispiel harre ich auf meinem Stuhl aus, fühle mich zunehmend unwohl, komme aber nicht von Fleck. Wenn ich mich verbinde, nehme ich wahr, dass ich müde bin, ich nehme auch den Widerstand wahr gegen das Hinlegen, ein gewohnheitsmäßiger Widerstand aus der Verzögerungstaktik, und kann klar sehen, dass wenn ich für mich gehen will, das Hinlegen unumgänglich ist. Ich entscheide mich für mich.

….

Stunden später, habe geschlafen, mir den Kindern Hausaufgaben gemacht, für Schulaufgaben gelernt.

Als ich nach all dem in die Küche kam und das dort inzwischen entstandene Chaos sah, kam die Überforderung. Alles ist unüberkommbar, an jeder Ecke nur Dreck und Verwüstung, nicht zu schaffen, unerträglich. Das altbekannte Land, same procedure as every day.

Ich musste alles stehen und liegen lassen und mich zurückziehen um zu schauen ob ich es auch anders sehen kann.

Ich sehe, der innere Raum ist total bedrängt von den üblichen Konsorten: ich kann das nicht, das ist zu viel, das ist ungerecht, will nicht usw. Eine dicke graue Schicht bedeckt das Licht. Ich kann mich kaum verbinden.

Bitte hilf mir es anders zu sehen! Ich bleibe eine Weile bei diesem Gebet.

Nach und nach macht sich ein Wärme und eine Sanftheit in meiner Brust bemerkbar. Das Herz öffnet sich wieder Stück für Stück. Ich spüre Erbarmen für mich (danke liebe Comfortqueen für dieses Wort). Tränen des Mitgefühls fließen.

Ich entscheide. Entweder ich mache die Umgebung oder die Kinder verantwortlich, ärgere mich und lebe weiter im Chaos, oder ich nähre die Liebe für mich, für meine Familie und für meine Umgebung.

Aus der Liebe heraus ist die Antwort einfach. Mir mache ich es zuallerst schön. Ich muss nichts und doch kann ich alles. All die Stimmen, die mich entweder nieder machen oder antreiben müssen nicht befolgt werden, ich kann in Ruhe Ordnung schaffen. In Ruhe meint ohne inneren Druck, das ist die Ruhe die zählt. Ich mache dazu Musik an.

Das ist so eine Ressource, ich schreibe es noch mal auf, weil ich es auch immer wieder vergesse. Musik ist für mich wie ein Schalter, der umgelegt wird, ich muss mich bewegen, und wenn ich mich bewege, komme ich in meine Kraft. Das ganze Haushaltszeug geht ganz nebenbei von der Hand, ich kann mich gar nicht erinnern, wann ich das gemacht habe.

Jeder bekommt auch ein Zuckerl im Leben.

Das Tor ist offen

Ich bin immer noch fasziniert. Staunend stehe ich vor diesen beiden Welten. Die Welt gesehen von meinem gewohnten Standpunkt aus, dem Standpunkt meiner Biographie, und die Welt gesehen durch die Augen der Sehnsuchtsmutter.

Ja, diese Vorstellung hat immer noch die Macht mich sofort zu verbinden, sobald ich sie rufe, kommt ein warmes freudiges Gefühl in meine Brust, es ist als würde ich das Licht in meine Welt bringen.

Jede noch so alltägliche und unangenehme Situation wird durch diesen Blick des Herzens transzendiert.

Heute morgen Ballett. Bei mir unmotivierte Kein-Bock-Stimmung, während der Fitness-Diktator mir im Nacken saß. Ich verbinde mich und kann sofort spüren, dass ich nicht muss, es gibt keinen Grund mich zu zwingen. Dann merkte ich aber, dass ich in meinem Herzen weiß, dass mir das heute gut tun wird, und dass es für mich nährend sein wird meine Startschwierigkeit zu überwinden. Das Hingehen wurde sofort leicht und die Stunde hat mir richtig gut getan.

Nächste Situation Konto. Es kam was rein, natürlich nicht so viel, dass ich alles zahlen kann. Erst Panik, Verzweiflung. Dann Blickwechsel. Sofort wird klar was zu tun ist, ich zahle alles was geht, im Vertrauen dass jeden Tag ausreichend eingehen wird. Ich freue mich über jede Rechnung, die ich bezahlen kann. Zwischendurch noch verschiedenes Bürozeugs erledigt, und das alles mir Leichtigkeit.

Nach all den Jahren des hoffnungslosen im Sumpf herumkriechen ist es eine solche Wohltat ein neues Land zu betreten. Dass ich die Möglichkeit habe die Mutter meiner Sehnsüchte zu sein, zaubert mir jedes Mal ein Lächeln ins Gesicht, wenn ich daran denke.

Ich erfahre in dieser Verbindung eine tiefe Erdung, ich fülle den Platz, den ich im Leben habe, genau den Platz, der jetzt gerade da ist, voll aus, mit Freude und Liebe und Leichtigkeit. All das Unangenehme und Schwere ist trotzdem da, ich kann aber wohlwollend darauf blicken und damit werden sie nicht zum lebensgefühlbestimmenden Drama. Ja, das Drama ist raus. Wie angenehm. Wie entspannend.

Mir ist absolut klar, dass all die Jahre des Sumpfs haben sein müssen, ohne sie und ohne die kontinuierliche Entschälung wäre ich nicht hier angekommen. Die Seele flüstert, während die Emotionsfiguren schreien. Und wenn wir daran gewöhnt sind auf das Schreien zu hören, können wir das zarte Flüstern der Seele gar nicht wahrnehmen oder vielleicht auch nicht wichtig nehmen. Deswegen war es für mich unerlässlich erstmal viel zu erforschen, viel zu entschälen, mein System gründlich kennenzulernen, damit ich Raum habe für das was dahinter ist, damit ich das leise Flüstern hören kann. Und je länger ich ihm zuhöre, desto klarer und leichter wahrnehmbar ist die Botschaft.

Alles braucht seine Zeit und niemand weiß wie lange es dauert. Und ich habe lange gebraucht, bis ich so weit war meine eigenen Schritte zu gehen. Immer wieder habe ich nach jemandem gesucht, der mir sagt wie es geht. Aber so jemanden kann es nicht geben.

Denn, davon bin ich überzeugt, solange wir nicht unser absolut unbekanntes eigenes Neuland betreten, solange wir nicht unserer eigenen Führung vertrauen, so lange befinden wir uns in fremden Systemen, die zwar bis zu einem gewissen Grad als Richtungsweiser helfen können, den genauen Weg aber nicht kennen. Den kennen nur wir.

Das Tor ist offen, ich kann hin und her gehen. Je öfter ich das mache, desto leichter wird es, das ist wohl auch eine Übungssache, wie das meiste wenn nicht gar alles im Leben. Ich freue mich auf das was kommen mag.

Der gute und der böse Wolf

Mir dämmert langsam, diese Geschichte mit dem Wolf ist wahr, es gewinnt der, den man füttert (ich konnte leider keinen Link finden, der keine weiteren Kommentare enthält, ich selbst kenne sie aus einem Buch) .

Alles ist in mir. Alle Anteile. Ich entscheide aus welchem heraus ich lebe, aus welchem heraus ich handle. Ich habe fast sechs Jahre intensivster Zwiebelschichtarbeit gebraucht bevor ich das verstehen konnte.

Und ich weiß auch warum. Ich sehe die Bilder meiner Role-Models vor mir. Mein Vater ist genervt oder wütend, meine Mutter apathisch oder servil, und meine Oma, die auch einen Einfluss auf mich hatte, weil ich viel bei ihr war, hat ihr Leben im Marschschritt verbracht. Zusammenreißen, Zähne zusammenbeißen und im Stechschritt nach vorne ist ihr Motto. Und aus diesem Angebot habe ich mir meinen eigenen Vicious-Cocktail gemixt.

Es gab kein freundliches, liebevolles Vorbild. Wie hätte ich meine freundliche liebevolle Seite ausbilden können? Wir brauchen Vorbilder um sprechen zu lernen, auch wenn es bereits in uns ist, wir brauchen auch Vorbilder um das Gute ins Leben zu bringen, auch wenn es bereits in uns ist. Wir sind als Kinder dazu verurteilt das Leben durch die Augen unserer Eltern zu sehen. Und irgendwann fangen wir an diesen Blick für unseren Blick zu halten. Und schon werden unsere Möglichkeiten klein, wir haben keine Wahl mehr, ich kann wütend sein, oder apathisch oder mich zusammenreißen und mit aller Kraft weitermarschieren. Mehr kannte ich nicht.

Ohne das Essen hätte ich vielleicht niemals das Durchhaltevermögen aufgebracht so lange weiterzumachen, obwohl so viele Jahre für mich nicht abzusehen war was das Ganze soll. Danke Esssucht! Die Sehnsucht dünn zu sein, hat mich all die Jahre getragen.

Erst musste ich mich durch viele Schichten durchkämpfen um zu merken, dass darunter nur Leere und Verwirrung ist. Keinerlei Vorstellung wie Liebe geht, wie Freude geht. Innehalten konnte ich, fühlen konnte ich auch, aber dann? Was dann? Es waren fast nur unangenehme Gefühle da, Unmengen davon. Fühlen bedeutete im Schmerz sein. Es gab sonst nicht viel anderes. Hier und da mal ein Aufblitzen, aber ohne tragende Kraft.

Man kann nichts in einen vollen Eimer füllen, habe ich neulich gelesen. Erst ist Raum schaffen angesagt. Das habe ich recht gründlich getan.

Nun ist vieles ausgeräumt, es gilt mich mit dem zu füllen was mich nährt und trägt. Das darf ich selbst entscheiden. Wie unglaublich. Da ist auf einmal so viel Freiheit da. Ich bin keine Marionette meiner Vergangenheit, ich bin nicht den sogenannten Charaktereigenschaften ausgeliefert. Ich habe sie erworben und ich kann sie auch einfach nicht nutzen. Ich bin nicht daran gekettet, mein innerer Kern ist frei.

Ich kann mich voll auf meine Sehnsucht verlassen, die führt mich zielsicher dahin wo ich hin soll. Schon immer wurde ich geführt, das ist so offensichtlich. Schon als Kind gab mir das Universum diese Gabe die Eingenschaften anderer Leute, die mich anziehen, nachzuahmen. Damals noch auf sehr oberflächlicher, rein körperlichen Ebene. Nach guten 44 Jahren weiß ich wozu. Um mir das fehlende Role-Model zu ersetzen bekam ich die Fähigkeit starke Sehnsuchtsbilder aufzubauen. Weil sie mein Schlüssel zum Himmelstor sind. Ich konnte nicht die Schlüssel der anderen Leute benutzen, ich musste meinen finden. Mich mit der zu verbinden die ich sein will, macht mich zu der, die ich sein will. Weil eigentlich alles schon da ist, es war nur so verborgen.

Das klingt vielleicht alles ein wenig wirr, ich weiß aber genau was ich meine. Es ist nur kaum in Worte zu fassen, weil es unfassbar ist. Und weil jeder das für sich selbst entdecken muss, seinen eigenen Schlüssel finden muss.

Alles was ich mir in meinem Herzen wünsche, das alles habe ich schon, es ist bereits da. Endlich kann ich verstehen wie das gemeint ist, wie oft habe ich diesen Satz gehört und für Science-fiction gehalten. Ich muss es nur aufsuchen.

Nicht dass ich mich auf einmal ständig dort aufhalten kann, mitnichten. Das alte Programm steht Wache wie eh und je. Darauf kommt es gar nicht an, noch so eine erstaunliche Erkenntnis. Es sind eben beide Wölfe da, wie in jedem Menschen, der böse und der gute. In der Geschichte geht es so weiter, dass der kleine Junge seinen Großvater fragt, welcher Wolf denn gewinnen wird. Dieser antwortet: ‚Der, den ich füttere.‘

Kling toll, aber keine Ahnung wie das gehen soll. Bis jetzt. Jetzt weiß ich wie ich meinen guten Wolf füttern kann. Wie das geht wird nämlich nicht erklärt. Aus gutem Grund. Das muss jeder für sich herausfinden.

Ein Wahnsinn.

Mein Tag mit der Sehnsuchtsmutter Teil 2

Wieder aufgestanden, bin nicht eingeschlafen, ein wenig ruhen war auch gut. Hausaufgabenzeit. Für mich die größte Herausforderung. Ich kann kaum dahinter stehen. Das rebellische Schulkind hat da die Oberhand.

Aber die Sehnsuchtsmutter weiß, dass es hier nicht um Rebellion geht. Es geht darum die Kinder zu unterstützen. Und wenn die Hausaufgaben gemacht sind und wenn auf die Proben gelernt ist, fühlen sich alle besser, vor allem die Kinder. Ich kann mich gut drum kümmern und währenddessen mache ich ein wenig Sport.

War auf dem Fahrrad und noch eine halbe Stunde Yoga hinterdrein weil es so schön war. Währenddessen Hausaufgaben kontrolliert. Es geht beides. Die Sehnsuchtsmutter kann Unterbrechungen und Unübliches akzeptieren, weil sie weiß, dass sie sonst entweder auf etwas verzichten muss oder die Kinder nicht genug Unterstützung bekommen, da ist es logisch auf die Vorstellung zu verzichten wie etwas ablaufen soll, z. Bsp. Sport. Man kann durchaus während dem Fahrradfahren oder dem Dehnen beim Yoga in die Hefte schauen.

Die Sehnsuchtsmutter bemerkt wenn sie im Stehen aus dem Topf isst, sie fragt sich ob sie Hunger hat und nachdem das bejaht ist, erlaubt sie sich im Sitzen zu essen, es gibt keinen Grund zu stehen, auch wenn sie gerade die Küche aufräumen wollte, vom im Stehen essen wird nichts besser.

Sie fühlt sich für ihre Umgebung verantwortlich, sie bemerkt dies und jenes und verbessert es, es geht im Vorbeigehen, Voraussetzung ist hinzuschauen.

Sohn schlampt sein Zeug nur so hin. Wut und Verzweiflung. Der Essdruck kommt, nächster Schritt Kühlschrank.

Doch was macht die Sehnsuchtsmutter? Das hatte ich nicht erwartet, aber sie merkt, dass die gerade nicht handlungsfähig ist, sie nimmt sich Zeit, setzt sich kurz hin und fühlt die Gefühle, die da sind, Wut, Verzweiflung, nicht wissen was sie tun soll. Nach kurzer Zeit ist die Welle vorübergegangen, so ist es eben, ich kann verstehen, dass er keine Lust hat. Morgen muss er diesen Teil eben nochmal machen.

Zeit den Küchendienst anzutreten. Widerstand. Übliche Taktik wird ausgepackt: Verzögerung. Prokrastinieren bis nichts mehr geht, bis nur noch das Nötigste gemacht werden kann.

Hier ist die Sehnsuchtsmutter bitter nötig. Kann ich es anders sehen? Ich verbinde mich.

Es steigt ein warmes Gefühl auf, eine Ruhe, die Sehnsuchtsmutter ist fest in ihrem Leben verwurzelt, sie weiß, dass es dazugehört und ihre Aufgabe ist. Dass, wenn sie es nicht macht, das Chaos unüberblickbar wird was für alle, auch für sie, schlimm ist. Sie weiß, dass es keinen Grund wie Krankheit oder so gibt, warum sie das jetzt nicht tun kann.

Die Motivation kommt zurück, ich kann weitermachen.

Habe gekocht, die Küche aufgeräumt und bei lauter Musik dabei getanzt, während die Kinder dazu mit ihren Hüpfbällen im Kreis gesprungen sind und lauthals gekreischt haben. Das war gar nicht wie Hausarbeit. Weiß gar nicht warum ich das nicht öfter mache. Aber so etwas fällt eben nur der Sehnsuchtsmutter ein.

Vor dem Essen ist mir noch eingefallen mich zu fragen was sie jetzt machen würde, sie würde kurz innehalten und sich verbinden bevor sie anfängt zu essen.

Ich habe trotz allem etwas zu viel gegessen. Ich bin gut satt. Wäre gern aber ein wenig leerer. Als es soweit war wollte ich nicht aufhören.

Die Sehnsuchtsmutter findet das in Ordnung. Sie ist gern abends richtig satt. Sie ist immerhin noch gute 5 Stunden wach und morgen isst sie erst am späten Vormittag etwas. Was soll daran verkehrt sein.

Na ja, ich wollte eigentlich leerer sein. Ich muss ihr aber recht geben, das ist für mich letztlich nicht passend. Vormittags und mittags nur ein wenig, aber abends will ich richtig satt sein. Das entspricht meinen Körper. Damit fühlt er sich wohl.

Irgendein Diätfuzzi will mir das madig machen, aber mit der Sehnsuchtsmutter an meiner Seite kann ich für mich gehen.

Der Rest des Abends (mit Kindern) war noch zäh. Ich konnte einfach nicht mehr. Aber auch hier gab es eine andere Art darauf zu blicken. Statt wie sonst in eine Wut hineinzukommen, weil ich nicht mehr kann aber noch muss, konnte meine Sehnsuchtsmutter einfach freundlich auf die Erschöpfung blicken, sie sich erlauben und damit konnte sie gleichzeitig viel sanfter zu den Kindern sein, alles lief einfacher und sparte auch noch Kräfte.

Das Experiment hat sich gelohnt. Es ist möglich eine andere Brille aufzusetzen, die Brille, die mir gut tut, die Brille, die mich nährt. Ich habe die Wahl, tatsächlich. Eine viel umfassendere Wahl als ich jemals für möglich gehalten hatte.

Das freie, heile, unabhängige Ich weiß genau wie es geht, das Leben. Es gibt einen Anteil in mir der mitten im Leben steht und alles nimmt was kommt, mit Freude und Liebe. Und ich kann mit genau diesem Anteil Verbindung aufnehmen. Der Wahnsinn!

Mein Tag mir der Sehnsuchtsmutter Teil 1

Die ersten zwei Stunden des Tages sind geschafft, alle Kinder zur Schule und in den Kindergarten gebracht.

Und ja, es macht schon einen Unterschied.

Aufstehen ist so schwer wie immer, aber, anstatt den Gedanken zu folgen, die sagen, dass alles so ungerecht ist, dass das blöde Schulsystem schuld ist, dass der Tag zur Hölle wird usw. und so fort, konnte ich den Blickwinkel meiner Sehnsuchtsmutter aufgreifen und verstand, dass es jetzt gilt einfach aufzustehen. Das ganze tägliche Gejammer ändert ja rein nichts an der Situation.

Diese Mutter ist weit mehr als ein Sehnsuchtsbild, sie ist ein Teil von mir, mein glückliches, heiles, unabhängiges Ich. Ich spüre eine warme und tiefe Verbindung zu ihr, mein Leben bekommt einen neuen Glanz, wenn ich durch ihre Augen schaue.

Ich konnte meinen Fokus ändern von ‚hoffentlich machen alle mit und es gibt keine größeren Katastrophen‘ zu ‚ ich möchte für mich und für die Kinder eine möglichst angenehme Zeit‘. Die Folge war eine ganz sanfte Änderung meiner Stimmung und damit der Gesamtstimmung. Alles war einfacher, leichter, entspannter und als Krönung auch noch pünktlich. Ich habe es in diesem Schuljahr erst ein oder zwei Mal geschafft montags pünktlich in der Schule zu sein.

Sicher, die übliche Brille schiebt sich dauernd in den Vordergrund. Ich bemerke sie wohlwollend und schaue was die Sehnsuchtsmutter dazu sagt. Ich habe übrigens versucht ihr einen anderen Namen zu geben, aber das geht nicht. Nur genau dieses Wort hat die Kraft mich mit dem freien, heilen Teil in mir zu verbinden.

Ach ja, ich habe heute vor der Schule zwei Mütter angesprochen und mich für etwas bedankt bzw. habe ihnen ein Kompliment gemacht. Normalerweise habe ich diesen Impuls, bin darüber aber so beschämt, dass ich alles versuche um ihnen auszuweichen. Es war nicht schwer, es war sogar schön. Ich fühlte mich hinterher wohl. Diese ganze automatische Beschämung macht keinen Sinn.

Nächste Herausforderung: Konto. Die Leute zahlen einfach nicht, sie sind wohl alle pleite. Das verschärft unsere Situation zusehends. Was mache ich normalerweise? Ich versinke in Phantasien von einem Eremitendasein in Kanada, wo wir kein Geld brauchen, unser eigenes Holz hacken und unsere eigenen Fische fangen. Ich finde dann schnell alles hier unerträglich und da ich aber nicht weg kann und es auch keine echte Option ist, muss ich essen oder mich anderweitig wegbeamen.

Wie sieht das meine Sehnsuchtsmutter? Sie ist sehr traurig über diese Situation, ihr macht es auch zu schaffen, sie erlaubt sich zu weinen, um dann ein tiefes Gefühl des Vertrauens in sich zu spüren, die Gewissheit, dass sich das lösen wird, dass sie auf irgendeine Art Hilfe bekommen wird. Und auch die Gewissheit, dass sie ihren Teil der Arbeit absolut erledigt hat. Sie hat alle fälligen Zahlungen und Rechnungen absolut im Blick. Sie hat nicht weggeschaut, nein sie hat hingeschaut.

Und nun sagt sie mir, dass es Zeit wird dem Schreiben ein Stopp zu setzen um sich der fälligen Hausarbeit zu widmen.

Puh, der schwerste Moment. Sofort will ich nicht, aber so was von nicht. Igitt, die blöde Wäsche, nein, nein, nein.

Ich verbinde mich wieder aktiv mit ihr und spüre den Unterschied. Eine ruhige Gewissheit, dass manche Dinge einfach getan werden müssen, dass das zu ihren Aufgaben gehört und sogar eine gewisse Freude darüber, die Dinge in Ordnung zu bringen.

Es ist schön hier zu sein, bei meiner Sehnsuchtsmutter, bei dem Teil, der gnädig, liebevoll und frei ist. Sie weiß genau, dass es das Allerwichtigste sich gut um sich zu kümmern, damit man sich gut um andere kümmern kann. Wenn sie eine Pause braucht, dann kann sie sich eine nehmen.

Und, die Email der Schwiegermutter triggert wie immer, aber sie kann es sein lassen, sie kann sehen, dass sie eben ist wie sie ist, dass das nicht bedeutet, dass sie mir ihr einer Meinung sein muss, und dass es auch Gutes gibt, wie dass die Kinder wieder eine Garnitur Kleidung bekommen.

Ich spüre einen sehr starken Drang, das Experiment abzubrechen und in meine Wegdriftwelt abzutauchen. Aber ich weiß wie es dort ist, nichts zu entdecken, nichts was mich nährt kommt dabei heraus.

Wie sieht sie das? Sie wendet sich sofort nach innen, sie schaut was ihr fehlt oder was sie braucht. Und das reicht sogar. Bei sich sein, die Verbindung wieder aufnehmen, das wohlige Wärmegefühl kommt zurück, der nächste Tagesordnungspunkt wartet, Kinder abholen.

Erstes Kind abgeholt. Kurze Pause vor dem nächsten. Ich habe starke körperliche Reaktionen, Hitze, Magenzusammenziehen, Schwindel.

‚Das erlauben wir nicht, du kannst nicht einfach beschließen die Welt durch andere Augen zu sehen. Schluß mit dem Schmarrn.‘

Wieso nicht?

‚Weil das nicht geht.‘

Aber es geht doch.

‚Nur weil wir es zugelassen haben. Jetzt reicht es uns.‘

Ihr? Wer seid ihr?

‚Wir sind das was bisher war. So soll es bleiben.‘

Warum?

‚Weil es immer so war. Das ist bekannt.‘

Ging es ihr denn gut mit euch?

‚Ne, zum Schluß nicht mehr, aber das ist der Preis.‘

Der Preis wofür?

‚Fürs Überleben.‘

Ist das nicht ein wenig sinnlos, dass sie überlebt um sich für den Rest ihres Lebens scheiße zu fühlen?

‚Na ja…ähm.‘

Meint ihr nicht auch, es wäre ein Versuch wert, sich mit dem freien, liebevollen unabhängigen Teil zu verbinden?

‚Naja… na gut, vielleicht.‘

Puh, der Zugang ist wieder frei, ich kann mich wieder verbinden. Sofort wird es warm und weich, die Härte schmilzt dahin. Die Schmerzen dürfen einfach sein, auch das Unwohlsein, der Schwindel. Inzwischen wird es immer klarer wie die Verbindung zustande kommt, es ist die Verbindung mit dem Herzen, mit der Liebe. Ich halte die Schmerzen liebevoll im Arm und gehe los das nächste Kind abholen.

Zurück. Die Schmerzen haben nachgelassen, ich bin ganz schön erstaunt wie stark das System reagiert. Bei ihnen zu sein fühlt sich liebevoll und entlastend an, egal wie stark sie sind.

Den Tag mir meiner Sehnsuchtsmutter zu verbringen schärft meine Aufmerksamkeit. Es fällt mir auf, wie stark ich immer wieder reagiere. Gerade im Kindergarten: ich habe meine Tochter vor dem Mittagessen abgeholt, weil sie es so wollte. Das ist in diesem Kindergarten alles möglich, trotzdem habe ich einen missbilligenden und genervten Blick der einen Erzieherin aufgefangen. Sofort fühle ich mich schlecht. Vielleicht galt er gar nicht mir, egal.

Schlecht, wie genau? Ich schäme mich, weil ich sie störe.

Ich verbinde mich. Wie sieht die Sehnsuchtsmutter das? Kann sein, dass ich sie gestört hatte, und dass es ihr gar nicht in den Kram passte. Aber das ist ihr Ding. Ich habe nur meine Tochter abgeholt, und das ist meine Bedingung gewesen, dass ich sie abholen kann wann ich will bzw. sie will. Sie darf genervt sein. Ich muss es ihr nicht passend machen. Ich umarme diesen Teil, der sich schämt.

Im Strudel der Mittagszeit ist mir die Sehnsuchtsmutter völlig abhanden gekommen. Nun fällt sie mir wieder ein, sofort werde ich sanfter, der Druck verschwindet, ich darf so sein wie ich bin, mich zuhause fühlen in meinem Leben. Ich spüre Müdigkeit, ich lege mich hin.

Ich will so sein wie sie

Wenn ich manche Kinderbücher vorlese werde ich konfrontiert mit einer mächtigen Sehnsucht oder einer riesigen Illusion. Wahrscheinlich beides.

Es gibt Bücher, besonders für die kleineren, da ist die Mutter immer entspannt, geduldig, bereit aufzuspringen um alles zu richten, denkt umsichtig an alles, ist völlig entspannt angesichts des kontrollierten Chaos‘, hat in ihren selbstverständlich schlanken Körper immer genug Energie für alles, steht selbst mitten in der Nacht mit einem Lächeln im Gesicht auf, jede Herausforderung wird mit Gelassenheit liebevoll gemeistert. Hach, ja, wäre ich doch auch so.

Es spielt gar keine Rolle, dass es der überzogenste Quatsch ist, ich wäre gern so.

Ich wäre gern anders, das ist ein Grundthema. Seit der Schulzeit begleitet mich das. Damals bin ich dem Impuls ganz ungeniert gefolgt. Ich wurde immer wieder von jemandem angezogen, ich wollte so sein wie sie. Ich habe mich dann ganz bewusst da hineinbegeben, ich habe ihre Körperhaltung und ihre Bewegungen nachgemacht, ich habe ihre Schrift und ihre Haltung dabei nachgemacht, ich habe meinen Schulranzen so sortiert wie sie, versucht meine Sachen mit der absolut gleichen Handbewegung rein und rauszuholen, ich dachte, wenn ich nur perfekt genug beherrsche was sie kann, dann, ja dann was? Ich weiß es nicht, aber etwas Wunderbares sollte eintreffen.

Genau so wunderbar, wie wenn ich es schaffen könnte so zu sein wie diese Mütter aus den Büchern. Und überhaupt, nur weil die Realität eher anders ist, muss das ja kein Quatsch sein. Es wäre ja schön, wenn es so wäre.

Was wäre dann?

Dann wäre ich endlich mit mir im Reinen, wer so entspannt und strukturiert und voller Energie und liebevoll und ruhig und unerschütterlich und ordentlich und gut gelaunt ist, der ist mit sich im Reinen. Diese Mädchen früher, die waren auch so, die wirkten völlig bei sich, selbstsicher, ausgeglichen, entspannt, organisiert, zufrieden, im Gegensatz zu mir, die aufbrausend war, ehrgeizig, immer bestrebt besser zu sein, vorne zu stehen, im Mittelpunkt zu stehen, Arbeiten auszuweichen und abzugeben, chaotisch und unorganisiert. Dass ich Klassenbeste war und Klassensprecherin hat nichts geholfen, ich muss gespürt haben, dass sie eine innere Ruhe hatten, die mir fehlte.

Nach dem Seminar am Wochenende weiß ich, es ist nicht unbedingt die innere Ruhe im Sinne von mit sich im Reinen sein, die sie hatten, sondern ein ruhiges Temperament. Und das ist im Zweifel für mich immer noch erstrebenswert, obwohl ich immer mehr verstehe, dass ich es nicht habe.

Vielleicht verwechsle ich auch etwas, innere Ruhe mir äußerer Ruhe. Der Zustand nach dem ich mich sehne ist mit mir und meinem Leben im Reinen zu sein, und das bin ich definitiv nicht. Ich hadere mit so ziemlich allem, sobald es zum Konflikt kommt oder schwer wird. Dann bin ich oder mein Leben irgendwie verkehrt und dann erscheinen mir aber viele andere auf einmal so richtig, also im Gegensatz zu mir richtig. Wäre ich doch nur so wie sie.

Dieser Satz treibt mir die Tränen in die Augen. Ich habe so viel Mitgefühl mit mir, weil ich mich selbst so wenig annehmen kann. Ich kann nicht viel Gutes darin sehen ich zu sein. Nichts was von Bedeutung ist kann ich. Ich bin nicht liebevoll, nicht einfühlsam, nicht fleißig, nicht hilfsbereit, nicht aktiv, ich kümmere mich nicht genug, ich gebe Verantwortung ab wo es nur geht.

Bitte hilf mir es anders zu sehen.

….

Stunden später. Ich habe nie gelernt, das was ich bin und kann zu schätzen. Ich bin gefangen in diesem negativen Strudel. Mein Blick ist gründlich darauf abgerichtet. Sicher, das ist auch unsere menschliche Programmierung, aber ich gehöre zu denen, die es besonders gut können. Das Haar in der Suppe zu finden.

Aber allein das Haar in der Suppe zu finden reicht nicht, es klappt nur, wenn daraus ein Riesendrama wird. Und da sehe ich eine Möglichkeit.

Ich kann mich entscheiden, auf das Drama nicht einzusteigen. Das liegt in meiner Macht. Auf jeden Fall vom Verstand her, und der muss jetzt leiten, im Sinne von entscheiden.

Meine Freundin sagte heute, sie habe sich bis in die kleinsten Zellen hinein erforscht. So geht es mir auch. Ich kenne mich in mir selber genauestens aus. Aber das ist nur ein Teil. Wenn die Handlung fehlt, die neue Erfahrung, dann bleibe ich hängen. Und wenn ich auf das passende Gefühl warte, bis ich die neue Erfahrung mache, dann kann ich lange warten, die Erfahrung habe ich schon gemacht. Sehr trickreich das Ganze, aber das Gefühl kommt nicht ohne eine entsprechende Erfahrung.

Das bedeutet, ich muss mit der Handlung ins kalte Wasser springen. Wie beim Praktikum. Wenn ich gewartet hätte, bis ich keine Angst mehr vor den Stunden habe, würde ich sicher immer noch warten.

Und was bedeutet das für jetzt? Welche Entscheidung will getroffen werden? Ich habe eine lustige Idee. Ich will mit mir im Reinen sein, wie die Mütter aus den Kinderbüchern. Oder das was sie für mich transportieren. Also versuche ich morgen mir die Frage zu stellen, was würde eine solche Mutter tun, wie würde sie das sehen? So als Gegengewicht zu dem ‚Haar-in-der-Suppe-Drama‘ das ich sowieso veranstalte.

Nicht als Diktat, sondern als Option es anders zu sehen. Ich freue mich darauf, die Kleine in mir ist total Feuer und Flamme, wir spielen wieder das Spiel unserer Kindheit. Denn das war es damals, ein Spiel, locker und leicht und jederzeit beendbar.

Ich wage dieses kleine Experiment. Ich bin gespannt.

Den Fortschritt würdigen

Ich habe bei einer Frau (hallo, ich wink mal rüber) eine schöne Idee aufgeschnappt. Sie hat eine Liste gemacht, von all den Dingen, die sich in den letzten Jahren verbessert oder geändert haben.

Ich möchte das auch gerne versuchen.

  • ich hatte schon lange keine Wutanfälle mehr, und wenn, kann ich viel besser stoppen, sie überwältigen mich nicht mehr.
  • anfallartiges Essen, also wahlloses immer weiter Vollstopfen, ist schon lange vorbei, meine Essanfälle sind immer nur ein kleines bis mittleres Zuviel
  • ich stoppe oft ganz automatisch beim Essen, weil ich einfach satt bin und alles weitere zu unangenehmen Völlegefühlen führen würde.
  • ich spüre meinen Körper, vollständig und nahezu ständig, vor 6 Jahren konnte ich nur die Beine und ab der Brust aufwärts spüren, der Rest lag im Dunkeln
  • ich kann darauf vertrauen, dass bei mir sein, mich begleiten, das Richtige ist, absolutes Verlorensein ist viel seltener geworden.
  • äufräumen ist hin und wieder möglich
  • ich habe die Ausbildung angefangen und bin mittlerweile im dritten Jahr, ich konnte eine Entscheidung treffen
  • ich komme mit meinen (älteren) Kindern besser klar, ich kann sie besser verstehen und liebevoller sein, ab dem Alter von etwa vier Jahren wurde es für mich zunehmend schwerer.
  • ich bin viel mehr in Bewegung und trainiere regelmäßig.
  • ich habe viel weniger Angst vor Kindergeburtstagen.
  • ich habe Neues gewagt (Praktikum), und wage immer wieder Neues.
  • das Gewicht sinkt kontinuierlich in seiner Bedeutung
  • ich entwickle langsam Vertrauen ins Leben
  • ich trinke manchmal Leitungswasser und es ist ok
  • meine Abhängigkeit von Büchern und Kursen wird weniger
  • ich kann immer öfter bewusst innehalten und den Druck rausnehmen
  • überhaupt wird mir immer klarer, dass der ganze Druck nur in mir ist, oder anders, dass der relevante Druck in mir ist.
  • die Neugier wächst stetig.
  • ich schließe neue Freundschaften
  • ich grüße manchmal von mir aus freundlich auch wenn ich denjenigen nicht kenne
  • ich kann manchmal meiner Tendenz entgegenwirken Menschen zu ignorieren, so zu tun als sähe ich sie nicht, nur um nicht mit ihnen reden zu müssen
  • das neue Gefühl, dass ich in Ordnung bin so wie ich bin, blitzt hin und wieder durch
  • die Fähigkeit mich zu beobachten und damit mitzubekommen was gerade wirkt und was mich steuert ist enorm gestiegen.
  • genauso kann ich schon manches Mal auch aktiv aus dem was mich steuert wieder aussteigen.
  • ich brauche es immer seltener zu dissoziieren, und wenn kann ich es mir ganz bewusst erlauben
  • überhaupt kann ich zunehmend dem eine Erlaubnis geben was sowieso da ist, auch wenn es etwas ist, was ich überhaupt nicht haben will. Diesen Punkt möchte ich unterstreichen, für mich ist es unfassbar, dass es mir manchmal gelingt, das widerspricht meinem stärksten Knebel, dem Perfektionismusdiktator. Und es ist etwas Neues, es gelingt mir erst seit Kurzem. Viele Jahre habe ich nur die Leitregeln ausgetauscht, bin aber im System geblieben, habe mit aller Macht und Einsatzbereitschaft eine bestimmte Vorgabe zu erfüllen versucht. Vorgaben ganz fallen zu lassen, war ein großes Tabu. Inzwischen gelingt es mir manchmal, wenn auch selten. Für mich ist das ein Riesenschritt.