Der gute und der böse Wolf

Mir dämmert langsam, diese Geschichte mit dem Wolf ist wahr, es gewinnt der, den man füttert (ich konnte leider keinen Link finden, der keine weiteren Kommentare enthält, ich selbst kenne sie aus einem Buch) .

Alles ist in mir. Alle Anteile. Ich entscheide aus welchem heraus ich lebe, aus welchem heraus ich handle. Ich habe fast sechs Jahre intensivster Zwiebelschichtarbeit gebraucht bevor ich das verstehen konnte.

Und ich weiß auch warum. Ich sehe die Bilder meiner Role-Models vor mir. Mein Vater ist genervt oder wütend, meine Mutter apathisch oder servil, und meine Oma, die auch einen Einfluss auf mich hatte, weil ich viel bei ihr war, hat ihr Leben im Marschschritt verbracht. Zusammenreißen, Zähne zusammenbeißen und im Stechschritt nach vorne ist ihr Motto. Und aus diesem Angebot habe ich mir meinen eigenen Vicious-Cocktail gemixt.

Es gab kein freundliches, liebevolles Vorbild. Wie hätte ich meine freundliche liebevolle Seite ausbilden können? Wir brauchen Vorbilder um sprechen zu lernen, auch wenn es bereits in uns ist, wir brauchen auch Vorbilder um das Gute ins Leben zu bringen, auch wenn es bereits in uns ist. Wir sind als Kinder dazu verurteilt das Leben durch die Augen unserer Eltern zu sehen. Und irgendwann fangen wir an diesen Blick für unseren Blick zu halten. Und schon werden unsere Möglichkeiten klein, wir haben keine Wahl mehr, ich kann wütend sein, oder apathisch oder mich zusammenreißen und mit aller Kraft weitermarschieren. Mehr kannte ich nicht.

Ohne das Essen hätte ich vielleicht niemals das Durchhaltevermögen aufgebracht so lange weiterzumachen, obwohl so viele Jahre für mich nicht abzusehen war was das Ganze soll. Danke Esssucht! Die Sehnsucht dünn zu sein, hat mich all die Jahre getragen.

Erst musste ich mich durch viele Schichten durchkämpfen um zu merken, dass darunter nur Leere und Verwirrung ist. Keinerlei Vorstellung wie Liebe geht, wie Freude geht. Innehalten konnte ich, fühlen konnte ich auch, aber dann? Was dann? Es waren fast nur unangenehme Gefühle da, Unmengen davon. Fühlen bedeutete im Schmerz sein. Es gab sonst nicht viel anderes. Hier und da mal ein Aufblitzen, aber ohne tragende Kraft.

Man kann nichts in einen vollen Eimer füllen, habe ich neulich gelesen. Erst ist Raum schaffen angesagt. Das habe ich recht gründlich getan.

Nun ist vieles ausgeräumt, es gilt mich mit dem zu füllen was mich nährt und trägt. Das darf ich selbst entscheiden. Wie unglaublich. Da ist auf einmal so viel Freiheit da. Ich bin keine Marionette meiner Vergangenheit, ich bin nicht den sogenannten Charaktereigenschaften ausgeliefert. Ich habe sie erworben und ich kann sie auch einfach nicht nutzen. Ich bin nicht daran gekettet, mein innerer Kern ist frei.

Ich kann mich voll auf meine Sehnsucht verlassen, die führt mich zielsicher dahin wo ich hin soll. Schon immer wurde ich geführt, das ist so offensichtlich. Schon als Kind gab mir das Universum diese Gabe die Eingenschaften anderer Leute, die mich anziehen, nachzuahmen. Damals noch auf sehr oberflächlicher, rein körperlichen Ebene. Nach guten 44 Jahren weiß ich wozu. Um mir das fehlende Role-Model zu ersetzen bekam ich die Fähigkeit starke Sehnsuchtsbilder aufzubauen. Weil sie mein Schlüssel zum Himmelstor sind. Ich konnte nicht die Schlüssel der anderen Leute benutzen, ich musste meinen finden. Mich mit der zu verbinden die ich sein will, macht mich zu der, die ich sein will. Weil eigentlich alles schon da ist, es war nur so verborgen.

Das klingt vielleicht alles ein wenig wirr, ich weiß aber genau was ich meine. Es ist nur kaum in Worte zu fassen, weil es unfassbar ist. Und weil jeder das für sich selbst entdecken muss, seinen eigenen Schlüssel finden muss.

Alles was ich mir in meinem Herzen wünsche, das alles habe ich schon, es ist bereits da. Endlich kann ich verstehen wie das gemeint ist, wie oft habe ich diesen Satz gehört und für Science-fiction gehalten. Ich muss es nur aufsuchen.

Nicht dass ich mich auf einmal ständig dort aufhalten kann, mitnichten. Das alte Programm steht Wache wie eh und je. Darauf kommt es gar nicht an, noch so eine erstaunliche Erkenntnis. Es sind eben beide Wölfe da, wie in jedem Menschen, der böse und der gute. In der Geschichte geht es so weiter, dass der kleine Junge seinen Großvater fragt, welcher Wolf denn gewinnen wird. Dieser antwortet: ‚Der, den ich füttere.‘

Kling toll, aber keine Ahnung wie das gehen soll. Bis jetzt. Jetzt weiß ich wie ich meinen guten Wolf füttern kann. Wie das geht wird nämlich nicht erklärt. Aus gutem Grund. Das muss jeder für sich herausfinden.

Ein Wahnsinn.